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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

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Update

Streit zwischen USA und Türkei: Erdogan wirft dem Westen Unterstützung des Terrorismus vor

Die Weigerung der USA, den islamischen Prediger Fethullah Gülen an Ankara auszuliefern, lässt den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nicht ruhen.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat dem Westen vorgeworfen, Terrorismus und Staatsstreiche zu unterstützen. Es stelle sich die Frage, was für eine Art von strategischer Partnerschaft die Türkei und die USA unterhielten, wenn die Regierung in Washington die Auslieferung des islamischen Predigers Fethullah Gülen verweigerten, sagte er am Dienstag in einer Rede in seinem Palast. Erdogan beschuldigt Gülen, den Putsch vor zwei Wochen angezettelt zu haben. Der seit 1999 in den USA im Exil lebende Gülen weist jede Verwicklung in den Umsturzversuch zurück. Erdogan dagegen sagte, ohne einen Umbau des türkischen Militärs würden Anhänger Gülens erneut versuchen, das Kommando über die Armee zu übernehmen. Die USA und die Türkei sind beide Mitglieder der Nato. Während Erdogan immer mehr Macht anhäuft, haben sich die Beziehungen zwischen der Türkei und dem Westen in den vergangenen Monaten stark verschlechtert.

Österreichs Innenminister Sobotka: Keine für Visaliberalisierung

Im Streit zwischen Ankara und der EU um die geplante Visaliberalisierung für die Türkei bleiben unterdessen die politischen Fronten weiter verhärtet. Die Erklärung des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu, dass Ankara Abstand vom Flüchtlingsabkommen mit der EU nehmen müsse, falls es bis Oktober nicht zur Visafreiheit kommt, löste in der EU auch am Dienstag unvermindert Widerspruch aus. „Die Flüchtlingsvereinbarung mit der EU steht und ist von beiden Seiten einzuhalten“, sagte Österreichs Innenminister Wolfgang Sobotka dem Tagesspiegel. „Es wird keine Erleichterungen für die Visaliberalisierung geben“, sagte der ÖVP-Politiker weiter. Alle Bedingungen für die Aufhebung des Visumszwangs, insbesondere die Änderung der türkischen Anti-Terror-Gesetzgebung, müssten erfüllt sein, sagte der Wiener Innenminister. Darüber hinaus müsse in der Türkei die Rechtsstaatlichkeit und die Stabilität gewahrt sowie die Immunität der Abgeordneten gesichert sein, sagte er.

Österreichs Regierungschef Kern: Nicht von Ankara einschüchtern lassen

Auch Österreichs Bundeskanzler Christian Kern wies die Drohungen der türkischen Regierung zum Flüchtlingspakt mit der EU zurück. "Wir dürfen uns auf keinen Fall einschüchtern lassen", sagte Kern der Zeitung "Österreich" vom Dienstag. Die EU sei kein "Bittsteller". Sie sei zwar auf die Türkei angewiesen, "aber diese braucht uns wirtschaftlich erst recht", sagte der SPÖ-Politiker. Ohne die EU steuere die Türkei "auf einen Staatsbankrott zu".

Zuvor hatte auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) deutlich gemacht, dass sich im Streit um das Flüchtlingsabkommen und die Visafreiheit erst einmal die Türkei bewegen müsse. „Es gibt Bedingungen für die Visafreiheit, und diese sind allen Seiten bekannt“, sagte Steinmeier der „Rheinischen Post“. Die Türkei habe da „noch Arbeit vor sich“. „Es bringt jetzt nichts, sich gegenseitig Ultimaten zu stellen und zu drohen“, fügte er hinzu. Zuvor hatte sein türkischer Amtskollege ein Datum für die Visafreiheit gefordert. „Es kann Anfang oder Mitte Oktober sein, aber wir erwarten ein festes Datum“, hatte Cavusoglu gesagt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die sich unter den Staats- und Regierungschefs in der EU im März für die Flüchtlingsvereinbarung mit Ankara besonders stark gemacht hatte, hat sich bislang selbst noch nicht zum jüngsten Streit mit der Türkei geäußert. Am Montag hatte lediglich eine Sprecherin der Bundesregierung mit Blick auf den Flüchtlings-Deal erklärt, man gehe "nach wie vor davon aus, dass die Türkei die Vereinbarung weiter erfüllt".

CSU-Innenpolitiker Mayer: EU muss selbst Herr der Lage werden

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Mayer (CSU), sagte dem Tagesspiegel: "Das EU-Türkei-Abkommen ist auf starkes Betreiben von Bundeskanzlerin Merkel zu Stande gekommen, und es wirkt." Neben der Schließung der mazedonisch-griechischen Grenze sei das Abkommen "der entscheidende Baustein dafür, dass die Westbalkanroute de facto geschlossen" sei. "Trotzdem darf sich die EU jetzt nicht vom türkischen Präsidenten Erdogan erpressen lassen", sagte Mayer weiter. Der CSU-Politiker zeigte sich überzeugt, "dass es sich die Türkei gut überlegen wird, ob sie das Abkommen mit der EU aufkündigt und sich damit weiter außenpolitisch isoliert". Die Türkei werde auch in Zukunft bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise eine Schlüsselrolle spielen. "Dennoch darf sich die EU strategisch nicht von der Türkei abhängig machen", so Mayer. Dafür sei es erforderlich, dass einerseits die EU-Außengrenze zwischen Griechenland und der Türkei so gesichert werde, dass jeder Migrant lückenlos und zeitnah registriert werde. Zum anderen müsse ein System aufgebaut werden, mit dessen Hilfe nicht nur sämtliche Einreisen in die EU, sondern auch Ausreisen erfasst würden. "Das Ziel muss sein, dass die EU selbst Herr über die Entscheidung ist, wer in die EU einreisen darf", sagte der Innenexperte. (mit rtr/AFP)

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