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Politik: Streitbare Gedanken ums Gedenken

Noch ehe das Konzept über den Geschichtsverbund „Aufarbeitung der SED-Diktatur“ veröffentlicht ist, gibt es Auseinandersetzungen darüber

Von Matthias Schlegel

Berlin - Das Papier war noch gar nicht offiziell veröffentlicht, da gab es schon Proteste. Allein dieser Umstand belegt, dass das Projekt eines Geschichtsverbundes „Aufarbeitung der SED-Diktatur“ nicht nur ein hochkompliziertes, sondern auch ein streitbares Vorhaben ist. Die Expertenkommission aus Historikern, früheren Bürgerrechtlern und Publizisten wird ihre Vorschläge am Montag auf einer Pressekonferenz vorstellen. Bereits in dieser Woche wurde das 21-seitige Papier an Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) übergeben, von dessen Vorgängerin Christina Weiss der Auftrag ausgegangen war.

Die Kommission sollte ermitteln, wie die vielen unterschiedlichen Institutionen, Initiativen, Sammlungen und Gedenk orte zum Thema SED-Diktatur besser profiliert, arbeitsteilig organisiert und kooperativ vernetzt werden können. Das soll unter besonderer Berücksichtigung von Widerstand und Opposition geschehen und möglichst wenig Geld kosten.

Der Widerspruch entzündet sich vor allem an dem Vorschlag, zu einem – von der Kommission nicht benannten – späteren Zeitpunkt die Verantwortung für die Stasi-Akten auf das Bundesarchiv zu übertragen. Damit einher gehen soll ein „Paradigmenwechsel“ der Stasi-Unterlagenbehörde hin zu einem Dokumentations- und Forschungszentrum „Diktatur und Geheimpolizei“ zur ostdeutschen und europäischen Kommunismusgeschichte. Das Berliner „Bürgerbüro“, eine Vereinigung ehemaliger DDR-Bürgerrechtler, kritisierte, dass eine „Monsterbehörde“ entstehe. Die beabsichtigte Strukturierung der Aufarbeitung auf die drei inhaltlichen Schwerpunkte „Herrschaft, Gesellschaft, Widerstand“, „Überwachung und Verfolgung“ sowie „Grenze und Teilung“ mit jeweiligen institutionellen Zentren führe zu einer Gedenkbürokratie.

Im Übrigen betont die Kommission, dass sich die Stasi-Unterlagenbehörde vorläufig ganz auf die Erschließung und Auswertung der Stasi-Akten und auf persönliche Akteneinsicht konzentrieren soll. „Von besonderem Belang“ sei dabei die Erschließung noch unbearbeiteter Unterlagen und die Rekonstruktion von Aktenschnipseln. Statt Geld in die Neuordnung der Regionalstruktur der Behörde zu stecken, sollten die Mittel besser für die Wiederherstellung der zerrissenen Akten verwendet werden.

Als institutionellen Kern des Aufarbeitungsschwerpunktes „Überwachung und Verfolgung“ schlägt die Kommission ein Forschungs- und Dokumentationszentrum „Diktatur und Geheimpolizei“ vor. Es soll die „authentischen Orte der Täter und Opfer des Statssicherheitsdienstes“ vereinen. So sollen die MfS-Zentrale in der Berliner Normannenstraße und die MfS-Haftanstalt in Hohenschönhausen unter einem gemeinsamen Dach zusammengeführt und – in drei Alternativ-Varianten – an die Stasi-Unterlagenbehörde angebunden werden. Dagegen wehrt sich der Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen, Hubertus Knabe. Seine Einrichtung sei „kein Anhängsel einer Verwaltung“, sagte er, sondern eine unabhängige Stiftung.

Um der „deutlich übergewichtigen Konzentration auf Orte der Repression und der Teilung“entgegenzuwirken, bei der „der Alltag einer diktaturunterworfenen Bevölkerung weitgehend ausgeblendet bleibe“, schlägt die Kommission ein neu zu schaffendes „Forum Aufarbeitung“ unter Trägerschaft der Stiftung Aufarbeitung in Berlin vor. Dort sollen Ausstellungen und Veranstaltungen organisiert werden. Standort könnten die ehemalige SED-Parteizentrale an der Torstraße, die ehemalige Brauerei Oswald nahe dem ehemaligen Grenzstreifen Bernauer Straße oder das frühere ADN-Gebäude in der Karl-Liebknecht-Straße sein.

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