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Politik: Streiten darf nur die zweite Reihe

Regierung demonstriert beim Thema Syrien Einigkeit – aber die Fachpolitiker sehen noch Differenzen

Berlin - Es ist unstrittig, dass der Libanon und die USA sich mit kritischen Bemerkungen an das Kanzleramt gewandt haben, weil Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) seinen syrischen Amtskollegen Walid al Muallim am Donnerstag zum Gespräch empfangen hat. „Wir haben diese Positionen zur Kenntnis genommen“, sagt Steinmeiers Sprecher Martin Jäger, Gesichtsausdruck betont neutral. Viel interessanter ist am Tag nach dem Treffen die Frage, ob und wie viel Anstoß die Bundeskanzlerin genommen hat. Denn der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckart von Klaeden, hatte kritisiert, es sei nicht sinnvoll, Syrien „immer wieder den roten Teppich auszurollen“. Zoff zwischen Kanzlerin und Vizekanzler?

Schulter an Schulter sitzen folglich Jäger und der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg am Freitag vor der Bundespressekonferenz und arbeiten dem Eindruck grundsätzlicher Differenzen entgegen. Wichtigste Kronzeugin: Angela Merkel. Denn am Dienstag hatte die Kanzlerin am gleichen Ort ihre Erwartung an das Gespräch formuliert – aber keine Kritik an seinem Stattfinden. O-Ton Merkel: „Der syrische Außenminister wird zu hören bekommen, dass wir erwarten, dass Syrien eine konstruktive Rolle im Rahmen der Präsidentschaftswahl im Libanon spielt.“ Diese Botschaft habe Steinmeier übermittelt, sagt Jäger. „Es sind vom Auswärtigen Amt keine roten Teppiche ausgerollt worden.“ Es sei vielmehr „in die Sache und zur Sache“ gegangen. Anschließend habe man mit den Bundestagsabgeordneten zusammengesessen, die den syrischen Außenminister ebenfalls getroffen haben, und bei „Mohnkuchen mit Vanillesauce“ war auch von Klaeden dabei. „Herr von Klaeden“, bemerkt Jäger, „hat keine Kritik geäußert. Insofern muss ich meine Verwunderung äußern.“ Steg betont, es sei „gemeinsame Haltung, dass Syrien gedrängt werden soll“. Er flicht allerdings dreimal Bemerkungen allgemeiner Natur ein, dass man „gelegentlich“ im Kanzleramt und Außenamt Besuche unterschiedlich bewerte. Die regierungsamtliche Botschaft: Einigkeit in der Sache, bei Unterschieden in der Ausübung der Rollen.

Unterhalb dieser Schwelle gehen die Scharmützel aber weiter. Während Steinmeier vom außenpolitischen Sprecher der FDP-Fraktion, Werner Hoyer, ausdrücklich Flankenschutz erhält, äußert der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU), Syrien müsse „eine konstruktive Haltung nicht nur durch schöne Worte, sondern auch durch Taten“ zeigen. Zwar sei sich die Koalition darin einig, dass es wichtig sei, Syrien einzubinden. Ob es richtig gewesen sei, den syrischen Außenminister nach Berlin einzuladen, bezweifelt Polenz.

Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich wiederum wundert sich über die Union. Er habe im Vorfeld nicht den Eindruck gehabt, dass der Besuch in der Kritik gestanden sei. Wollten einige Unionspolitiker den Dialog mit Staaten wie Syrien verweigern, sei das eine sehr einfache Sichtweise. „Ein solches Schwarz-Weiß-Denken führt manchmal zu übereilten Reaktionen.“ Eckhart von Klaeden hält die Einladung an den syrischen Außenminister zu diesem Zeitpunkt nach wie vor für falsch. „Ich habe meine Position formuliert, die ich so schon seit Monaten vertrete. Bei der Einbindung Syriens müssen wir darauf achten, dass den syrischen Ankündigungen auch Taten folgen.“ Die Verwunderung von Außenamtssprecher Jäger kommentiert von Klaeden knapp: „Der Eindruck, den Herr Jäger wiedergibt, ist falsch.“ Die Gesprächsrunde sei übrigens vertraulich gewesen.

FDP-Außenexperte Hoyer kann nicht nachvollziehen, dass die Koalition „in der Sache so aufeinander eindrischt“. Erklären kann er sich die Vorgänge schon. Das sei „ein Zeichen dafür, dass die Nerven eine Woche vor der Wahl in Hessen blank liegen“.

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