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Politik: Streiten im Konsens

Arbeitsminister Clement umwirbt für die Umsetzung des Hartz-Konzeptes die Opposition – erntet aber nur Kritik

Von

Von Cordula Eubel

und Antje Sirleschtov

Dass Wolfgang Clement bei der Umsetzung der Hartz-Gesetze zur Reform des Arbeitsmarktes mit Gegenwehr rechnen musste, war ihm wohl klar. „Ich will mehr als Hartz“, warb der neue Wirtschafts- und Arbeitsminister im Parlament um die Zustimmung der Opposition. Es gehe ihm nicht nur um schnellere Vermittlung von Arbeitslosen und den Umbau des „starren Amtsapparates der Bundesanstalt für Arbeit“, sagte Clement. Er wolle „alle Grenzen für Zeit- und Leiharbeit aufheben“, damit diese Beschäftigungsform „zur Normalität“ werde, er strebe nach mehr Qualität bei der Weiterbildung, fordere eigenes Engagement der Arbeitslosen bei der Jobsuche, Deregulierung im Handwerksrecht und auch ein neues Steuerrecht für Kleinstunternehmer.

Für all das wolle er streiten, „nicht mit Pauschalangriffen“ sondern „im Konsens“. Beinahe jede der Neuerungen im Arbeits- und Sozialrecht, die schon zum 1. Januar 2003 in Kraft treten sollen, verteidigte der Minister gegen die Vorwürfe, seine Gesetze seien „gewerkschaftshörig“ und würden neue Bürokratie erzeugen, aber keine neuen Arbeitsplätze schaffen. Doch bei der Opposition hatten Clements Annäherungsversuche kaum Erfolg. CDU/CSU und Liberale warfen der Regierung vor, mit den vorliegenden Gesetzentwürfen zu wenig Impulse zur Vermittlung Langzeitarbeitsloser zu setzen. Nur wer gut qualifiziert sei, habe eine Chance auf einen Leihjob, der genauso gut bezahlt werden müsste wie die Arbeit der Stammbelegschaften in den Unternehmen, sagte der CDU-Politiker Karl-Josef Laumann.

Günther Schmid, Professor am Wissenschaftszentrum Berlin und einst Mitglied der Hartz-Kommission, ging noch weiter. „Der Geist von Hartz ist nicht mehr da“, sagte er dem Tagesspiegel. Erst nach sechs Monaten Arbeit in einem Unternehmen solle ein Leiharbeiter vollen Lohn erhalten, hatte die Kommission vorgeschlagen. „Damit hätten auch Langzeitarbeitslose mit Handicap eine Chance bekommen“, sagte Schmid. Wenn nun mit dem Gesetz der im Entleihbetrieb übliche Lohn von Anfang an gezahlt werden muss, sei dies nicht im Sinn von Hartz. „Nicht fair“ sei auch die Regelung, dass nun allein die Arbeitgeber auf den Kosten sitzen bleiben sollen, wenn gekündigte Arbeitnehmer während der Kündigungszeit für die Jobsuche freigestellt werden. „Weit schlimmer“ sei, „dass die Rahmenbedingungen nicht mehr stimmen“. Durch höhere Renten- und Krankenkassenbelastungen würden die Kosten für Arbeit so stark steigen, dass dies „tödlich für Hartz“ sein könne.

Die Regierung brachte am Donnerstag ein Gesetz auf den Weg, das zwar „Beitragssatzsicherungsgesetz“ heißt, den Anstieg der Sozialversicherungsbeiträge aber nicht verhindern kann. In der Rentenversicherung steigt die Bemessungsgrenze im Westen von 4500 auf 5100 Euro, so dass Besserverdiener mehr Beiträge zahlen müssen. Außerdem klettert für alle Beitragszahler der Satz in der Rentenversicherung auf 19,5 Prozent. Die gesetzlichen Krankenkassen kalkulieren trotz des Spargesetzes von Sozialministerin Ulla Schmidt mit einem Anstieg der Beiträge von 14 auf 14,3 bis 14,4 Prozent. Die Ministerin schreibt den Kassen in ihrem Gesetzentwurf vor, dass sie die Beiträge im nächsten Jahr nicht erhöhen dürfen. Allerdings sind Ausnahmen vorgesehen, wenn Kassen mehr für ihre Leistungen ausgeben als sie an Beiträgen einnehmen. Ärzte, Krankenhäuser und Apotheker kündigten gegen die Sparpläne für nächsten Dienstag Demonstrationen an. Sie fürchten Wartezeiten bei Operationen und Praxensterben. „Das ist die Notglocke, die wir läuten“, sagte Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe.

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