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Politik: Streitend vorwärts

Die Islamkonferenz debattiert, wer Muslime vertreten darf – und der Zentralrat verlangt einen Arbeitsplan

Berlin - Dreieinhalb Stunden haben sie debattiert und gestritten. Danach sagte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU): „Wir sind auf dem richtigen Weg. Der Dialogprozess geht voran.“ Zum zweiten Mal tagte am Mittwoch in Berlin die deutsche Islamkonferenz, die Schäuble im September vergangenen Jahres ins Leben gerufen hatte, um den Dialog zwischen den rund 3,4 Millionen Muslimen in Deutschland und dem Staat auf eine institutionalisierte Basis zu stellen. Seitdem haben sich die rund 30 Vertreter von muslimischen Verbänden, säkular eingestellte muslimische Bürger sowie Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen mehrmals in Arbeitsgruppen getroffen. Am Mittwoch tagte nun das Plenum.

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) nannte als ein wichtiges Zwischenergebnis, dass „alle Teilnehmer vom säkularen Staat des Grundgesetzes ausgehen“. Die Autorin und Islamkritikerin Necla Kelek, die als Vertreterin der säkularen Muslime an der Konferenz teilnimmt, kritisierte allerdings, dass die muslimischen Verbandsvertreter zwar das Grundgesetz anerkennen würden, sich aber sträubten, den dahinterstehenden freiheitlich-demokratischen Wertekonsens zu bejahen.

Das Religionsverfassungsrecht in Deutschland sei von der Auseinandersetzung mit den christlichen Kirchen geprägt, sagte Bundesinnenminister Schäuble. Jetzt wollten auch die Muslime die damit verbundenen Freiheiten genießen. Aber der Islam sei wegen seiner mangelnden Trennung von Staat und Kirche „ etwas völlig anderes“. Da gebe es noch „großen Klärungsbedarf“. Unstrittig sei aber, dass künftig entsprechend zum christlichen Religionsunterricht an allen staatlichen Schulen auch Islamunterricht angeboten werden soll. Die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave (SPD) sagte, dies sei das „erklärte Ziel“ der Länder.

Wie Konferenzteilnehmer berichteten, wurde am Mittwoch vor allem darüber gestritten, wer für die Muslime sprechen darf. Die säkularen Muslime, die neben Necla Kelek auf der Tagung auch von der Berliner Anwältin Seyran Ates, der Ärztin Ezhar Cezairli oder dem TV-Produzenten Walid Nakschbandi vertreten waren, sind sich einig, dass der neu gegründete Koordinierungsrat der Muslime (KRM) nur eine Minderheit vertrete. Vor einem Monat hatten sich die vier größten muslimischen Verbände zu dem neuen Dachverband zusammengeschlossen. Die Bildung dieses Gremiums sei „ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte Schäuble. „Aber wir haben ein vielfältigeres muslimisches Leben in Deutschland als es der Koordinierungsrat repräsentiert.“

Ayyub Axel Köhler, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland und Sprecher des neuen Koordinierungsrats, wertete die Tagung als Erfolg. Er erwarte bald eine vollständige Gleichstellung mit den anderen Religionsgemeinschaften in Deutschland, sagte er. Köhler mahnte außerdem einen „Fahrplan“ für die künftigen Treffen der Islamkonferenz an. „So kann es nicht weitergehen, dass man nur ziellos debattiert“, sagte Köhler. Die Arbeitsweise der Konferenz müsse evaluiert werden.

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