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Streubomben: Unerwartete Einigung

111 Nationen werden künftig auf die Herstellung und den Einsatz von Streumunition verzichten.

Wer das Ergebnis der Anti-Streubomben-Konferenz von Dublin in Augenschein nimmt, dem kommen spontan die Begriffe „Erfolg“ oder „Durchbruch“ in den Sinn. Zehn Tage hatten Vertreter von mehr als 100 Staaten über ein globales Verbot von Streumunition verhandelt – und sich nach kontroversen Debatten am letzten Tag der Konferenz am Donnerstag auf einen Vertragstext geeinigt.

Allein das ist aller Ehren wert: Schließlich hatten zahlreiche Länder – darunter auch Deutschland – immer wieder Einwände gegen eine umfassende Ächtung der vor allem für die Zivilbevölkerung tödlichen Waffe angemeldet. Allerdings bleiben die riesigen Arsenale der Militärmächte USA, Russland und China bei der Regelung außen vor: Sie sperren sich gegen das Abkommen und werden auch weiterhin auf Streumunition zurückgreifen. Dagegen wird die Bundeswehr ab sofort, und nicht wie geplant mit Übergangsfristen, auf jegliche Art von Streumunition verzichten. Nach den bisherigen Plänen der Bundesregierung sollten die deutschen Streitkräfte zunächst nur von „besonders gefährlicher Streumunition“ mit hohen Blindgängerquoten Abstand nehmen. Deutsche Streumunition wird ab sofort weder bei internationalen Auslandsmissionen noch bei sogenannten Übungen zum Einsatz kommen – aus Beobachtersicht eine Kehrtwende. „Dass die deutsche Regierung nun auch auf diese Waffen verzichten wird, sehen wir als Erfolg unserer intensiven Kampagnenarbeit und des Drucks vieler engagierter Bürgerinnen und Bürger“, sagt die Sprecherin von Handicap International, Eva Maria Fischer. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes begrüßte die Einigung und bezeichnete sie als „Meilenstein bei der Entwicklung des humanitären Völkerrechts“.

Laut Abkommen verpflichten sich die Vertragsstaaten, ihre Streumunition innerhalb von acht Jahren zu verschrotten. Zudem sollen die Opfer dieser Waffe künftig mit finanziellen Hilfen unterstützt werden. Streumunition zählt nach Einschätzung von Experten zu den gefährlichsten Waffenarten der Welt: Die in ihr enthaltene Submunition verbreitet sich über riesige Flächen, von der häufig nur ein kleiner Teil unmittelbar nach dem Aufprall auf der Erde explodiert. Die Blindgängerquote liegt, je nach Munitionstyp, zwischen zehn und 40 Prozent. Auch die Bundeswehr hielt bislang derartige Waffen vor – für die Landesverteidigung und den kollektiven Verteidigungsfall im Rahmen der Nato, wie es aus dem Bundesverteidigungsministerium (BMVg) heißt. Um wie viel Munition es sich dabei handelt, hält das BMVg allerdings nach wie vor unter Verschluss.

Dass neben Deutschland künftig 110 Länder auf die Herstellung, den Erwerb, Einsatz und Transport sowie auf die Lagerung von Streumunition verzichten wollen, haben die Vertragsstaaten in erster Linie dem britischen Premierminister Gordon Brown zu verdanken: Die Einigung kam, nachdem er in London den Verzicht seines Landes auf die Waffe bekannt gegeben hatte. Er wolle auf diese Weise dazu beitragen, die Blockade in den Bemühungen um ein internationales Verbot von Streubomben zu überwinden, sagte Brown.

Wie lange es dauern wird, bis sämtliche Streumunition aus den Depots der deutschen Streitkräfte verschwunden ist, vermochte ein Sprecher des BMVg auf Anfrage nicht genau zu datieren. Ein solcher Prozess sei gerade bei dieser Art von Munition aufwändig und teuer. Auch verfügten die Entsorgungsfirmen nur über begrenzte Kapazitäten. Die Beseitigung der deutschen Streumunition dürfte nach Tagesspiegel-Informationen mehrere Millionen Euro kosten; zwischen 2001 und 2008 hat die Bundeswehr rund drei Millionen Euro für die Entsorgung von Streumunition ausgegeben.

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