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Blockade. 24 Stunden lang haben Atomgegner in Brokdorf demonstriert. Foto: Reuters

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Politik: Stromkonzerne wollen Schadenersatz für Atomausstieg

Ein Gutachten für Eon sieht den Schutz des Eigentums ausgehebelt – CSU-Chef Seehofer hält Klagen dagegen für aussichtslos

Berlin - Langsam zeichnet sich ab, wie sich die Betreiber von Atomkraftwerken gegen die Energiewende der Bundesregierung wehren wollen. Nach Informationen des „Spiegels“ wollen die Energiekonzerne gegen den Atomausstieg vor dem Bundesverfassungsgericht klagen.

Eon liegt demnach bereits ein Gutachten des Verfassungsrechtlers Christoph Moench und des ehemaligen Verteidigungsministers und Staatsrechtlers Rupert Scholz vor, nach dem die 13. Atomgesetznovelle, die derzeit im Bundestag beraten wird, gegen den Schutz des Eigentums und der Gewerbefreiheit im Grundgesetz verstoße. Die beiden Professoren, die der Großkanzlei Gleiss Lutz angehören, argumentieren, dass die im Jahr 2000 beim rot-grünen Atomkonsens ausgehandelten Strommengen das Eigentum der Energiekonzerne seien. Dieses Eigentumsrecht könne vom Gesetzgeber nicht gestrichen oder beschränkt werden.

Anfang Juni hat RWE-Chef Jürgen Großmann in einem Brief an die Bundeskanzlerin bereits ähnlich argumentiert. Er beklagte, dass nach RWE-Einschätzung rund 60 Terawattstunden Atomstrom nicht mehr erzeugt werden könnten, wenn es bei den festen Abschaltterminen für die Kraftwerke bliebe. Großmann wies in dem Brief auf die „Verstromungsmengen aus dem Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich“ hin, die „nach dem Atomkonsens 2002 eine vom Eigentumsrecht des Grundgesetzes geschützte Position sind“. Dies sei sogar Bestandteil der Begründung für die damalige Atomgesetznovelle gewesen.

Scholz und Moench sind im Übrigen offenbar der Meinung, dass selbst die neu zugeteilten Strommengen durch die Laufzeitverlängerung des vergangenen Herbstes bereits unter dem Grundrechtsschutz für das Eigentum stünden. Daraus abgeleitet erwarten die Energiekonzerne offenbar zweistellige Milliardenbeträge als Entschädigung für den Atomausstieg.

Der schwedische Konzern Vattenfall schließt nach „Spiegel“-Informationen nicht aus, das internationale Schiedsgericht bei der Weltbank wegen der Stilllegung des Atomkraftwerks Krümmel anzurufen. „Für uns steht im Vordergrund, eine gütliche Einigung mit der Bundesregierung zu erreichen“, sagte eine Vattenfall-Sprecherin der Nachrichtenagentur Reuters. Der Konzern fordere aber eine „faire Entschädigung“. RWE will bei der Halbjahrespressekonferenz im August bekannt geben, welche rechtlichen Schritte der Konzern einleiten will. Dagegen heißt es bei EnBW: „Das ist kein Thema, mit dem wir uns derzeit beschäftigen.“

Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hält die Klagen für aussichtslos. „Wir handeln rechtsstaatlich einwandfrei und politisch unabhängig“, sagte er der „Financial Times Deutschland“. Im Gegensatz dazu sieht die Rechtsanwältin Cornelia Ziehm, die bei der Deutschen Umwelthilfe arbeitet, durchaus Mängel in der Argumentation im vorliegenden Gesetzentwurf. Für die Stilllegung des Atomkraftwerkes Krümmel beispielsweise gibt es in der Atomgesetznovelle keine sicherheitstechnische Begründung. Das nur wenige Wochen später in Betrieb genommene Atomkraftwerk Grafenrheinfeld darf demnach jedoch noch vier Jahre länger laufen. Auch Großmann bemängelt in seinem Brief an die Kanzlerin, dass das Atomkraftwerk Gundremmingen B zwei Jahre vor Gundremmingen C abgeschaltet werden soll, obwohl die Anlagen baugleich seien.

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