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Neu, aber nicht unbedingt besser. Viele Arzneiinnovationen halten nicht, was sie versprechen.

© picture alliance / dpa

Studie der Techniker Krankenkasse: Neue Arzneimittel bringen wenig

Sie sind teurer, aber nicht besser: Neue Arzneimittel halten oft nicht das, was sie versprechen. Dennoch werden sie von den Ärzten gerne verschrieben. Vor allem in Ostdeutschland.

Mehr als doppelt so hohe Preise, obwohl sich die Qualität keineswegs verbessert hat: Zu diesem niederschmetternden Befund kamen Pharmakologen bei der Bewertung der Arzneimittel-Neuheiten aus dem Jahr 2013.

Von 23 untersuchten Präparaten handle es sich nur bei einem (das Brustkrebsmedikament Perjeta von der Firma Roche) um eine echte Innovation, resümierten die Autoren einer Studie, die am Mittwoch von der Techniker Krankenkasse in Berlin präsentiert wurde. Gleichwohl langten die Hersteller beim Preis kräftig zu. Während die Neuheiten des Jahres 2012 pro Packung im Schnitt noch 670 Euro kosteten, lag der Durchschnittspreis im Folgejahr bereits bei 1418 Euro.

Kaum Innovationen für Volkskrankheiten

Auffällig bei den angeblichen Innovationen ist, dass es sich wie schon in den Vorjahren dabei vor allem um Krebsmedikamente für relativ kleine Patientengruppen handelt. Bei neuen Mitteln gegen die verbreitetsten Patientenleiden – Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Rückenschmerzen, Diabetes und Schilddrüsenüberfunktion – herrsche weitgehend Fehlanzeige, klagte die Direktorin des Philipp-Klee-Instituts für Pharmakologie in Wuppertal, Petra Thürmann.

Krebsmedikamente seien für die Hersteller ein „extrem lukrativer Markt“, betonte der Krebsarzt und Chef der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Wolf-Dieter Ludwig. Die Jahrestherapiekosten lägen pro Patient teilweise schon bei mehr als 100.000 Euro, obwohl es in den meisten Fällen gar nicht um Heilung, sondern nur um Lebensverlängerung von wenigen Wochen oder Monaten gehe. „Die ethische und medizinische Debatte über die exorbitanten Preise in der Krebsmedizin werden wir in der Gesellschaft führen müssen“, sagte er.

In Brandenburg verschreiben die Ärzte am bedenkenlosesten

Interessanterweise finden auch neue und teurere Mittel ohne erwiesenen Zusatznutzen ihren Markt. Der Studie zufolge werden sie besonders oft in den neuen Bundesländern sowie in Berlin und Hamburg verschrieben. Unrühmlich an der Spitze liegen dabei die Ärzte in Brandenburg, die solche Medikamente dreimal so oft verschreiben wie etwa ihre Kollegen im Saarland oder in Bremen.

So bringt der negativ bewertete Multiple-Sklerose-Wirkstoff Teriflunomid den Herstellern Bruttoumsätze von bis zu 1,3 Millionen Euro im Monat. Mit dem als nur begrenzt innovativ bewerteten Mittel Enzalutamid gegen Prostatakrebs kommen sie auf mehr als 900.000 Euro.

Um Patienten nicht zu schaden, müssten die Mediziner besser über den Nutzen neuer Arznei informiert werden, folgerte der Bremer Pharmakologe Gerd Glaeske. Und anders als von der Regierung geplant, dürfe die Pharmaindustrie bei dieser Informationsoffensive keinen Einfluss erhalten.

Der Experte plädiert dabei auf eine gut verständliche Ampelbewertung über die Praxissoftware der Mediziner. Dabei könne die Qualität der neuen Mittel in drei Kategorien dargestellt werden: mit Blick auf andere verfügbare Therapien, auf den Nutzen für die Patienten und auf die Kosten. Gleichzeitig forderte Glaeske zusätzlich zu dem bisher üblichen Zusatznutzen-Check kurz nach der Markteinführung auch eine Folgebewertung, in die Erfahrungen mit den neuen Mitteln einfließen könnten.

Versprochene Einsparungen "bei weitem verfehlt"

Was die Preisentwicklung betrifft, habe das Arzneimittelneuordnungsgesetz (Amnog) von 2011 mit seinen Nutzenbewertungen die versprochenen Einsparungen "bei weitem verfehlt", kritisierte der Bremer Wissenschaftler. Anvisiert gewesene seien zwei Milliarden Euro pro Jahr. Im Jahr 2014 habe die Ersparnis jedoch nur bei 450 Millionen, im Jahr 2015 bei 800 Millionen Euro gelegen.

Auch für den Vorstandschef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, haben sich die Hoffnungen auf das Gesetz bisher nicht erfüllt. Das liegt aus seiner Sicht an zwei Dingen. Daran, dass die Pharmaindustrie das Verschreibungsverhalten der Ärzte immer noch zu stark beeinflusse. Und an dem Umstand, dass die ausgehandelten Erstattungspreise für neue Arznei erst nach einem Jahr gelten.

Kassenchef: Nutzenbewertung muss den Preis ab dem ersten Tag bestimmen

Den derzeit diskutierten Kompromiss, wonach der Erstattungspreis künftig bei Arzneimitteln mit einem Umsatz von mehr als 250 Millionen Euro rückwirkend gelten soll, bezeichnete Baas als falsch. Dies würde bedeuten, dass die Versicherten für ein neues Medikament erst einen fairen Preis bezahlten, "wenn sie bereits eine Viertelmilliarde an die Industrie überwiesen haben". Der auf Basis der Nutzenbewertung ausgehandelte Preis müsse für alle neuen Medikamente rückwirkend ab dem Tag der Markteinführung gelten, forderte der Kassenchef.

Die Arzneihersteller kritisierten diese Forderungen. Sie gingen "zu Lasten der Patienten", sagte Henning Fahrenkamp, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Das Amnog führe auch nach über fünf Jahren nicht zu einer besseren Arzneimittelversorgung. "Stattdessen erzwingt es immer wieder Marktaustritte und schränkt so die Therapievielfalt ein“,

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