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Ein verwitterter Grenzpfosten der DDR in Sachsen-Anhalt.

© dpa

Studie zu Unterschieden zwischen Ost und West: Die Teilung Deutschlands wirkt noch immer nach

25 Jahre nach der Wiedervereinigung ist die alte deutsch-deutsche Grenze in vielen Lebensbereichen nach wie vor erkennbar. Das zeigt eine neue Studie zum Stand der deutschen Einheit.

Ein Vierteljahrhundert nach dem Ende der Teilung Deutschlands sind die Unterschiede zwischen West und Ost noch immer klar spürbar. In dieser Deutlichkeit hat das sogar die Autoren einer Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung überrascht, die sich mit dem Stand der deutschen Einheit befasst. „Das Ergebnis hat uns selbst erstaunt“, sagte Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts.

Egal, ob es um die Altersstruktur der Bevölkerung ging, die Wirtschaftskraft oder den Anteil von Schulabgängern ohne Abschluss – sobald die Forscher die Ergebnisse in eine Deutschlandkarte übertrugen, ergab sich fast immer das gleiche Bild: „Überall sieht man nach wie vor die alte Grenze zwischen der DDR und der Bundesrepublik“, sagte Klingholz. Die deutsche Teilung wirke länger nach, als viele das bei der Wiedervereinigung 1990 gedacht hätten. In der am Mittwoch vorgestellten Studie „So geht Einheit“ untersuchten die Forscher 25 Themenfelder.

Anteil der jungen Menschen im Osten besonders gering

Nach dem Mauerfall gingen viele junge, gut ausgebildete Ostdeutsche in den Westen. Die neuen Länder verloren zwischen 1991 und 2013 dadurch und durch den massiven Geburtenrückgang mehr als zwei Millionen ihrer 14,5 Millionen Einwohner. Gleichzeitig stieg die Bevölkerungszahl in Bayern, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein deutlich an. Mittlerweile ist der Trend jedoch gestoppt: Im Jahr 2012 habe es ungefähr so viele Umzüge von West nach Ost gegeben wie von Ost nach West, sagte Klingholz.

Auch die sogenannten „Wanderungsmuster“ in Ost und West gleichen sich an, die Menschen zieht es vom Land wieder in die großen Städte. Dresden, Leipzig oder Erfurt seien heute „Wachstumsinseln in einem Meer des Schrumpfens“, heißt es in der Studie. Diese Trendwende hätten in Ostdeutschland aber nur wenige Städte geschafft. Dagegen büßten etwa Eisenhüttenstadt oder Hoyerswerda fast die Hälfte ihrer Bevölkerung ein.

Doch selbst wenn heute längst nicht mehr so viele Ostdeutsche ihre Heimat verlassen, hat die Abwanderung der vergangenen 25 Jahre langfristige Folgen für die neuen Länder. So ist der Anteil der unter 20-Jährigen in den neuen Ländern deutlich geringer als in der alten Bundesrepublik. Gleichzeitig stieg die Anzahl der Älteren überdurchschnittlich stark an. „Im Osten fehlen junge Menschen, die eine Familie gründen könnten“, sagte Klingholz.

Unterschiede beim Einkommen und Konsum

Beim Einkommen sind die Unterschiede zwischen Ost und West zwar kleiner geworden, aber nach wie vor deutlich erkennbar. So verdienen Ostdeutsche im Durchschnitt nur drei Viertel des monatlichen Bruttoeinkommens Westdeutscher. Kein Wunder also, dass sie auch weniger für den privaten Konsum ausgeben können. Das macht sich besonders bemerkbar bei teureren Produkten wie Uhren und Schmuck, nicht so sehr aber bei Unterhaltungselektronik.

Deutliche Unterschiede gibt es bis heute in den Bereichen Zuwanderung und Migration. In den fünf ostdeutschen Bundesländern liegt der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund bei unter fünf Prozent – dagegen hat in Berlin, Hamburg und Bremen, aber auch in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg mehr als jeder vierte Einwohner einen Migrationshintergrund. Zugleich sind in Ostdeutschland negative Einstellungen gegenüber Migranten stärker verbreitet. Beide Landesteile drifteten bezüglich ihrer Vorbehalte auseinander, heißt es in der Studie unter Berufung auf eine Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung: Während es 2012 kaum Unterschiede in der Willkommenskultur gab, sagte 2015 nur jeder zweite Ostdeutsche, dass Zuwanderer in der Bevölkerung willkommen seien. Im Westen waren es dagegen zwei von drei Befragten.

Weitgehend angenähert haben sich West und Ost bei der Lebenserwartung, der Kinderzahl und den Bildungsabschlüssen. Und nicht immer schneidet der Osten schlechter ab: So ist die Erwerbsbeteiligung von Müttern in den ostdeutschen Bundesländern höher als im Westen, und dort glauben deutlich weniger Befragte, dass eine Berufstätigkeit der Mutter den Kindern schade.

Hartnäckige Klischees

Knapp die Hälfte der Deutschen ist der Meinung, dass es mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten zwischen Bürgern in Ost und West gibt. Von ihnen hält wiederum jeder dritte Ostdeutsche die „Wessis“ für arrogant oder eingebildet. Umgekehrt werden die Ostdeutschen von einem kleinen Teil der Befragten in den alten Bundesländern mit Begriffen wie „anspruchsvoll“ oder „unzufrieden“ bedacht. Klischees halten sich auch 25 Jahre nach der Einheit hartnäckig.

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