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Politik: Stützen statt stürzen

Anhänger von Schröders Kurs mahnen SPD-Linke: Lasst euch nicht zum Instrument gegen den Kanzler machen

Die Befürworter des Reformkurses von Bundeskanzler Gerhard Schröder haben versucht, die Oberhand gegenüber den Kritikern der „Agenda 2010“ zu bekommen. SPD-Fraktionschef Franz Müntefering warf den Gegnern der Reformpläne vor, die Bundesregierung in Gefahr zu bringen. Das Mitgliederbegehren, das in der vergangenen Woche von mehreren Abgeordneten des linken Fraktionsflügels gestartet worden war, ziele auf eine Alles-oder-nichts-Entscheidung und stelle den Zeitplan für die Reformvorhaben in Frage, schrieb Müntefering in einem Brief an die Fraktionsmitglieder. „Das Begehren bringt uns an den Rand der Handlungsunfähigkeit und gefährdet unsere Regierungsfähigkeit.“

Falls der Inhalt des Mitgliederentscheids Position der SPD werden sollte, wäre die Regierungskoalition für lange Zeit an jeder Reform gehindert, so Müntefering. Er fühle sich durch das Vorgehen der Reformgegner hintergangen. Auch Generalsekretär Olaf Scholz sagte, an den „Grundaussagen“ der Reformagenda dürfte „nicht gerüttelt“ werden.

Zum Gegenangriff auf die Schröder-Kritiker ging auch der konservative Seeheimer Kreis innerhalb der SPD über. Dessen Sprecher, der westfälische Bundestagsabgeordnete Karl Hermann Haack, bezeichnete die Reformen als „absolut notwendig und ohne Alternative“. Der Seeheimer Kreis stehe daher geschlossen hinter Schröder. Das Verhalten einiger Parteilinker sei „nicht tragbar“, so Haack. Die Schröder-Gegner handelten „verantwortungslos, sie fügen der Partei Schaden zu und gefährden die Koalition“.

Nur die Reform des Sozialstaats sei „langfristig eine Alternative zum Neoliberalismus“. Für die Details der Reformen gelte allerdings, dass kein Gesetz das Parlament so verlasse, wie es eingebracht worden sei. Auch die bayerische SPD-Abgeordnete Susanne Kastner, Mitglied des Seeheimer Kreises, rief dazu auf, die Agenda 2010 nicht zu „verwässern“. Sie schlug eine mehrtägige Fraktionsklausur zum Umbau des Sozialstaats vor und mahnte den Parteivorstand, er stehe „in der Pflicht“, die Parteifunktionäre „sprachfähig“ zu machen. „In dieser für die Partei und unser Land existenziellen Frage ist ein Diskussionsprozess zu organisieren, ähnlich wie damals beim Godesberger Grundsatzprogramm“, erklärte Kastner. Sie kritisierte zugleich Generalsekretär Scholz. Dieser habe „kein Feeling, welcher Diskussionsnotstand in der Partei zur Zukunft des Sozialstaates bestand“.

Der Vorsitzende des Bundestags-Wirtschaftsausschusses, Rainer Wend, appellierte an seine Parteifreunde, „sich nicht zum Instrument machen zu lassen, diese Regierung und den Kanzler zu stürzen“. Noch schlimmer als ein „kurzfristiger Kanzlersturz“ sei es, die SPD dadurch „auf Dauer regierungsunfähig zu machen, weil sie gescheitert ist, Deutschland zu modernisieren“, sagte Wend der dpa. In den 33 Jahren seiner SPD-Mitgliedschaft habe es für die Partei „noch keine vergleichbare historische Weichenstellung gegeben, haben Chancen und Risiken für die SPD noch nie so eng beieinander gelegen“. Er sei überzeugt, dass mit dem von den Kritikern initiierten Mitgliederbegehren im Erfolgsfall die Regierungsfähigkeit der SPD „auf ganz lange Zeit verspielt“ sei. „Die eitle Selbstverliebtheit von einigen so genannten Linken in der Partei droht unser Projekt auf Dauer zu gefährden.“

Wend sieht in den Reformplänen „das untere Maß dessen, was jetzt geschehen muss“. Deshalb lehne er „Kompromisse in der Substanz“ ab. Über Details könne man reden, etwa über Vorschläge, die Veränderungen des Kündigungsschutzes auf fünf Jahre zu begrenzen: „Das halte ich durchaus für eine vernünftige Idee.“

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