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Politik: Stunde der Wahrheit

Diesmal bekommt Struck einen Termin beim US-Verteidigungsminister – um sich dessen Wünsche anzuhören

Von Hans Monath

In verfahrenen Situationen hilft demonstrativer Optimismus oft weiter. „Das ist der Beginn einer vertrauensvollen Zusammenarbeit“, kündigte Verteidigungsminister Peter Struck am Freitag in Brüssel an, bevor er ins Flugzeug nach Washington stieg, um dort seinen Kollegen Donald Rumsfeld zu treffen: „Das ist kein Gang nach Canossa.“ Der SPD-Politiker wollte mit jenem Bush-Vertrauten beraten, der ihn aus Verärgerung über die deutsche Irak-Politik noch Ende September demonstrativ geschnitten hatte. Genau an dem Tag traf Struck in Washington ein, an dem der UN-Sicherheitsrat die Irak-Resolution verabschiede.

Zwar gibt es tatsächlich kleine Signale für eine Annäherung an die politische Normalität zwischen Washington und Berlin - so hat etwa Bushs außen- und sicherheitspolitische Beraterin Condoleezza Rice mit ihrem Widerpart im Kanzleramt, Bernd Mützelburger, tatsächlich telefoniert. Doch die Verärgerung der Bush-Administration ist nachhaltig. Und zumindest offiziell bestreitet die Bundesregierung auch, dass sie den amerikanischen Partner gleichsam durch Ersatzleistungen wie die Übernahme des Isaf-Kommandos in Kabul oder den Einsatz für eine Annäherung der Türkei an die EU gewogen stimmen will. Genau das nämlich wirft die deutsche Opposition der rot-grünen Außen- und Sicherheitspolitik vor.

Über die wichtige Frage, wie die UN-Resolution im Ernstfall durchgesetzt werden könnte, weigert sich die Bundesregierung, auch nur zu spekulieren. Hinter verschlossenen Türen wird Struck freilich Rumsfelds Frage beantworten müssen, welchen Beitrag Deutschland, wenn nicht zu einem Militärschlag, dann aber zu einem Nachkriegs-Szenario im Mittleren Osten zu leisten bereit ist. Und weil Berlin nun einmal in großer Verlegenheit ist, wird der US-Verteidigungsminister auch versuchen, den Deutschen Zugeständnisse in Fragen abzuringen, die sachlich nur wenig mit der Irak-Frage zu tun haben: Nach den amerikanischen Vorstellungen ist nicht die Erweiterung der Nato beim Gipfel in Prag die wichtigste Frage, sondern der Umbau der militärischen Nato-Fähigkeiten im weltweiten Kampf gegen Terroristen.

Mit Absichtserklärungen will sich Washington in Prag nicht zufrieden geben – weder bei der Bildung einer schnellen Nato-Eingreiftruppe noch bei der Frage, welche militärischen Fähigkeiten die Mitgliedstaaten beisteuern. So soll Deutschland dafür sorgen, dass die europäischen Nato-Partner sich darauf einigen, Flugzeuge für den Langstrecken-Transport zu leasen, bis der neue Airbus A 400 M zur Verfügung steht.

Auf Widerstand von Saddam Hussein gegen die Sicherheitsrats-Resolution ist Berlins Politik schlecht vorbereitet: Da Deutschland vom 1. Januar an nichtständiges Mitglied in dem Gremium ist und einen Monat später sogar dessen Vorsitz übernimmt, hätte sich die Regierung dann durch ihre Wahlkampflinie in eine Falle manövriert: Einerseits gilt die Festlegung, wonach Berlin jede Gewaltandrohung gegen den Irak ablehnt, andererseits droht die vollständige Isolation durch Blockadepolitik. Zwar weigert sich Außenminister Fischer bislang, über diesen Ernstfall auch nur zu reden. Die von ihm in den Sicherheitsrat entsandten Diplomaten werden freilich nicht umhinkommen, in dem hohen Gremium ihre eigenen Lösungen für alle Optionen offen zu legen.

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