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Lange Zeit haben sich die Kämpfer des IS unbesiegbar gefühlt. Hier ein Foto nach der Eroberung Mossuls aus dem Jahr 2015.

© Reuters

Sturm auf Mossul: Die Terrormiliz IS sucht nach neuen Strategien

Der "Islamische Staat" hat sich immer als unbesiegbar inszeniert, aber dieses Bild zerbricht gerade im Irak. Jetzt versucht die Terrormiliz sich neu zu erfinden.

Am zweiten Tag im Kampf um Mossul meldet die internationale Anti-IS-Koalition weitere Geländegewinne. Armee, kurdische Peschmerga-Kämpfer und lokale Milizen hatten am Montag eine Großoffensive auf die Stadt begonnen und erste Vororte eingenommen. Ein Sprecher der US-Streitkräfte erklärte über Twitter, Armee und Peschmerga lägen bislang gut im Zeitplan. Einige Ziele seien sogar schneller erreicht worden, als erwartet. Sollte Mossul vom „Islamischen Staat“ befreit werden, wäre die Terrormiliz im Irak militärisch weitgehend besiegt.

Existentielle Krise für den "Islamischen Staat"

Doch der IS gerät nicht nur militärisch immer stärker unter Druck, es zerbricht auch das Propagandabild des IS. „Der IS sieht sich mit einer existentiellen Krise konfrontiert, weil sie keine Geländegewinne mehr haben, sondern im Gegenteil seit Monaten immer weiter zurückgedrängt werden“, sagt der Irak-Experte Renad Mansour von der Londoner Denkfabrik Chatham House. Der IS hat lange von seiner martialischen Propaganda gelebt: Von Internetvideos, die heldenhafte Kämpfer auf einem scheinbar endlosen Siegeszug durch den Nahen Osten gezeigt haben, einen Staat im Aufbau, eine Macht auf dem Vormarsch, unbesiegbar. Angesichts seiner Niederlagen versucht der IS nun seinen Kampf verändert darzustellen. Niederlagen werden jetzt als Teil eines größeren Kampfes erzählt. Renad Mansour erklärt, das neue Narrativ laute: „Auch wenn wir geschlagen werden – wir kommen wieder. Unser Kampf hört niemals auf.“

Die Dschihadisten brauchen einen Strategiewechsel

Am deutlichsten ist der Strategiewechsel an der Schlacht um ein kleines Dorf im Norden Syriens zu sehen. Vor wenigen Tagen musste der IS sich aus Dabiq zurückziehen. Der Ort ist nicht mehr als eine Ansammlung von wenigen Häusern. Trotzdem war es eine der größten Niederlagen, als der IS das Dorf vor wenigen Tagen aufgeben musste. Denn es gibt eine islamische Überlieferung, die besagt, dass hier in Dabiq eine apokalyptische Endschlacht zwischen den Muslimen und den Römern stattfinden werde. Die Entscheidung zwischen Gut und Böse. In Anlehnung an diese endzeitliche Bedeutung hat der IS sein wichtigstes Propagandamagazin nach diesem Ort benannt: Dabiq.

Es war absehbar, dass der IS den Ort Dabiq nicht würde halten können. Das Ende des Propagandamagazins stand bevor. Deshalb erschien etwa einen Monat, bevor der IS aus Dabiq vertrieben wurde, zum ersten Mal ein neues Magazin: Rumiyah. Gleiches Konzept, gleiches Layout. Mit der Namensänderung reagiert der IS auf die veränderte Realität. Rumiya heißt „Römer“. Es geht nun nicht mehr um die Entscheidungsschlacht in Dabiq, sondern um den ewigen Krieg gegen das Böse, den ungläubigen Westen.

Sicherheitskreise befürchten, dass nach dem Fall Mossuls vermehrt IS-Kämpfer nach Europa kommen könnten. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagt allerdings: „Ich sehe keine zusätzliche Gefährdung von Deutschland – die Gefahr ist bereits hoch.“

Interner Richtungsstreit beim IS

Derzeit gebe es im „Islamischen Staat“ zwei Fraktionen, sagt Renad Mansour. Auf der einen Seite stehe der irakische Kern der Bewegung, auf der anderen Seite eine syrische global ausgerichtete Fraktion. Letztere sehe den eigenen Kampf in einem größeren Zusammenhang: „Die syrische Fraktion wäre durchaus bereit, Mossul aufzugeben“, sagt Renad Mansour. Die Kämpfer dieser Fraktion würden sich vermutlich zuerst nach Syrien zurückziehen, könnten aber genauso gut nach Libyen oder Afghanistan weiterziehen. Die irakische Fraktion hingegen werde Mossul mit aller Kraft verteidigen, ist Mansour überzeugt. Es werde also ein harter Kampf für die internationale Anti-IS-Koalition. Der militärische Sieg sei sicher, aber man müsse mit hohen Verlusten in einem langen Kampf rechnen. „Ich denke da eher an Monate als an Wochen“, sagt Mansour.

Mossul werde fallen, sagt der Irak-Experte. Es könne sogar sein, dass der Kampf um Mossul am Ende zu einem Auseinanderbrechen des IS führe: In syrische und internationale Kämpfer, die weiterhin versuchen, einen Staat aufzubauen. Und in irakische Dschihadisten, die sich auf Terroranschläge konzentrieren, um den Irak weiter zu destabilisieren.

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