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Birma

© dpa

Sturmkatastrophe: UN: Hilfe für Birma völlig unzureichend

Aus dem birmanischen Irrawaddy-Delta strömen nach Angaben von Hilfsorganisationen hunderttausende Überlebende Richtung Norden in weniger zerstörte Gebiete. Die Regierung händigt nur eine Tasse Reis pro Familie aus. Unterdessen ist der erste deutsche Hilfskonvoi unter Jubel der Bevölkerung in der Krisenregion eingetroffen.

Die Flüchtlinge suchen Unterschlupf und Hilfe in Klöstern und Schulen in nördlicheren Regionen des Landes. Weil die Militärjunta nur wenig Hilfsgüter ins Land lässt und nach Schätzungen erst ein Fünftel der mehr als 1,5 Millionen Bedürftigen versorgt ist, warnt die Hilfsorganisationen Oxfam vor einer weiteren humanitären Katastrophe. In Birma könnten mehr Menschen umkommen als bei dem verheerende Tsunami 2004, erklärte die Organisation. Unterdessen erreichten einige Flüge die Hafenstadt Rangun. Darunter war auch eine Frachtmaschine der amerikanischen Luftwaffe mit 20 Tonnen Decken und Moskitonetzen.

Geschwächt und in Notunterkünften zusammengepfercht seien die Menschen besonders anfällig für Krankheiten, warnte Oxfam. Die Ausbreitung von Cholera und Diphtherie sei nur noch eine Frage der Zeit. Meteorologen sagten zudem für diese Woche schwere Regenfälle im Irrawaddy-Delta voraus.

Am Montag landete auch die erste von drei Maschinen der Organisation "Ärzte ohne Grenzen" mit insgesamt 110 Tonnen Hilfsgütern in Rangun. Die Organisation ist seit 1992 in Birma und hat 1200 einheimische Mitarbeiter. Damit ist sie eine der wenigen, die in das Katastrophengebiet vordringen kann. Selbst die wenigen Ausländer, die nach Rangun gelangten, erhalten nach wie vor keine Reisegenehmigungen im Land. Auch das Rote Kreuz ist mit einheimischen Mitarbeitern präsent. Ein Boot des Roten Kreuzes sank am Sonntag bei einem Hilfseinsatz. Die Mitarbeiter konnten sich retten, doch die Hilfsgüter für etwa 1000 Menschen gingen verloren.

Malteser Hilfsdienst erreicht die Krisenregion

Der Malteser Hilfsdienst, der ebenfalls mit Helfern im Land ist, erreichte am Sonntagabend mit zehn Tonnen Hilfsgütern die schwer verwüstete Hafenstadt LaButta. Am Sonntag kam nach Schilderung des Dienstes ein medizinischer Konvoi umjubelt von der Bevölkerung in der Stadt an. Ein achtköpfiges, einheimisches Helfer- Team mit drei Transportern habe in einem verlassenen Haus eine Nothilfe-Klinik eingerichtet. Ein weiterer einheimischer Experte kümmere sich um die Versorgung der Bevölkerung mit sauberem Trinkwasser. Außerdem verteilen Helfer Nahrungsmittel sowie Plastikplanen für den Bau von Notunterkünften.

Die Gruppe habe ungehindert ins Delta fahren können, sagte am ein Sprecher in der Malteser-Zentrale in Köln. Weitere Hilfstransporte seien für Dienstag und Mittwoch geplant. "Wir sind sehr froh, dass wir nun als eine der ersten Organisationen in dieser am schwersten betroffenen Region Hilfe leisten können", erklärt Ingo Radtke, Leiter von Malteser International.

Die US-Regierung hatte um eine Landegenehmigung für eine ihrer Militärmaschinen eine Woche lang verhandelt. Sie beugte sich dem Diktat der Junta, dass Hilfsgüter abgeliefert werden müssen und von birmanischen Behörden verteilen werden. "Wir bieten dem birmanischen Volk eine Hand der Freundschaft an", sagte US-Botschafter Eric John vor dem Abflug der Maschine vom Stützpunkt U-Tapao in Thailand. Er stellte weitere Lieferungen in Aussicht. "Vom amerikanischen Volk" stand in großen Lettern auf den Paketen. Das birmanische Militär hatte Lieferungen aus China und Thailand in der vergangenen Woche umgepackt oder mit den Namen von heimischen Generälen überstempelt um den Eindruck zu erwecken, die Hilfe stamme aus eigenen Beständen.

"Generäle verstoßen gegen das Recht auf Leben"

"Es ist unabdingbar, dass Experten ins Land gelassen werden, die den Opfern helfen können", verlangte der US-Botschafter. Auch die Vereinten Nationen warten weiter auf Einreisegenehmigungen, sagte der Sprecher des Welternährungsprogramms Marcus Prior in Bangkok. "Mit ihrem Verhalten verstoßen die machthabenden Generäle gegen grundlegende Menschenrechte wie das Recht auf Leben, das Recht auf Gesundheit, Wasser, Nahrung und Wohnung", sagte der Vorstandssprecher von Amnesty International Deutschland, Stefan Keßler, in Hamburg.

Laut UN ist die Hilfe für Birma noch völlig unzureichend: "Wir erreichen zu wenig Leute, und es dauert zu lange", sagte Terje Skavdal vom UN-Büro für humanitäre Angelegenheiten (OCHA) in Bangkok. "Normalerweise läuft die Hilfe in einer Situation wie dieser nach drei, vier Tagen auf Hochtouren" - das sei aber leider nicht der Fall. Die Militärjunta lässt nur wenige Hilfsflüge ins Land und akzeptiert fast nur Lieferungen, die zur Verteilung an das birmanischen Militär übergeben werden. Nur einige UN- und Hilfsorganisationen, die einheimisches Personal vor Ort haben, können die Verteilung selbst organisieren. Das sei aber eine logistische Herausforderung, sagte OCHA-Sprecher Richard Horsey. Große Teile des Katastrophengebietes seien nur mit dem Boot zu erreichen.

Das Welternährungsprogramm (WFP) hat weniger als zehn Prozent der Leute und des Materials im Land, die angesichts von eineinhalb Millionen Bedürftigen nötig sind, sagte Sprecher Marcus Prior. "Wir müssten jeden Tag 375 Tonnen Nahrungsmittel reinbringen", sagte er. "In Wirklichkeit sind es weniger als 20 Tonnen pro Tag."

EU will mit Behörden in Birma zusammenarbeiten

Die EU-Kommission hat unterdessen eine Dringlichkeitssitzung der Entwicklungshilfeminister an diesem Dienstag in Brüssel einberufen. Daran nimmt auch Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) teil. "Es muss verhindert werden, dass tausende Menschen an Hunger, verseuchtem Wasser und Krankheiten sterben", sagte ihr Sprecher. Der EU-Kommissar für Entwicklungshilfe, Louis Michel wollte direkt anschließend selbst nach Birma reisen. "Es ist unsere Absicht, eng mit den Behörden in Birma zusammenzuarbeiten, um die Leiden der von dem Zyklon getroffenen Bevölkerung zu lindern", kündigte er an.

Die Militärjunta gibt die Zahl der Toten durch den Killer-Zyklon "Nargis" inzwischen mit gut 28.000 an. Mehr als 33.000 gelten als vermisst. Die Vereinten Nationen gehen dagegen von bis zu 100.000 Toten aus. (rope/dpa)

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