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Die Polizei wird von der Politik im Regen stehen gelassen - nicht nur bei Bürgerprotesten in Stuttgart, meint die Polizeigewerkschaft.

© rtr

Stuttgart 21: Polizeigewerkschaft sieht innere Sicherheit "vor dem Kollaps"

Mit scharfen Worten hat die Polizeigewerkschaft das Verhalten der Politik bei kontroversen Themen wie Stuttgart 21 oder Atomtransporten kritisiert: Man könne nicht machen, was man will, "auch wenn man glaubt, dass das wichtig ist".

Vor einer Eskalation der Gewalt im öffentlichen Raum hat die Gewerkschaft der Polizei (GdP) gewarnt. "Die innere Sicherheit steht vor dem Kollaps", sagte der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg am Montag in Berlin vor Journalisten. Die Demonstrationen rund um das Projekt "Stuttgart 21" und die Castor-Transporte zeigten, dass das Gewaltpotenzial in der Gesellschaft gestiegen sei. "Es mangelt an Respekt gegenüber den Polizeibeamten, ihnen schlägt Hass und Frust entgegen", sagte Freiberg.

Der GdP-Chef kritisierte, dass in den vergangenen zehn Jahren rund 10.000 Stellen im Polizeiapparat gestrichen worden seien. Von rund 273.000 Beamten im Jahr 2000 seien derzeit nur noch 264.000 im Einsatz. Das sei ein Rückgang um 3,4 Prozent. Eine Umfrage der GdP habe ergeben, dass die Bundesländer bis 2019 weitere rund 9000 Stellen abbauen wollten.

Freiberg betonte die Verantwortung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) dafür, dass die Rahmenbedingungen für Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung schlechter geworden seien. Der Normalbürger sei nur noch bedingt sicher, weil zu viele Beamte bei Großeinsätzen gebraucht würden und für die reguläre Polizeiarbeit zu wenig Personal vorhanden sei.

In Hinblick auf die erwarteten Proteste beim geplanten Castor-Transport in das Atommüllzwischenlager Gorleben Anfang November forderte Freiberg stärkere Bemühungen der Politik, Konflikte zu schlichten. "Man kann nicht einfach Interessen durchsetzen, auch wenn man glaubt, dass das wichtig ist", sagte Freiberg. Das sei der falsche Weg. Die Polizei könne nur begrenzt zur Lösung von Konflikten beitragen.

SPD wirbt für Volksabstimmung zu Stuttgart 21

Die SPD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag will den umstrittenen Polizeieinsatz gegen die Gegner von "Stuttgart 21" im Stuttgarter Schlossgarten mit Hilfe parlamentarischer Anfragen aufarbeiten. Dies sei auf diese Weise deutlich schneller möglich als mit anderen Instrumenten, sagte SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel am Montag in Stuttgart.

Anders als in einem Untersuchungsausschuss wäre die Regierung gezwungen, schnelle Antworten zu liefern. In einem Untersuchungsausschuss hingegen hätten die Regierungsparteien bis zur Wahl Zeit, Zeugen auszuwählen und Termine festzulegen. Sollte die Regierung die Fragen allerdings nicht oder und nur unzureichend beantworten, schließt die SPD auch die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses nicht aus. Die Grünen im baden-württembergischen Landtag hatten sich bereits für einen Untersuchungsausschuss ausgesprochen.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat zudem an die Grünen in Baden-Württemberg appelliert, eine Volksabstimmung über das umstrittene Bahnprojekt zu unterstützen. "Es würde uns freuen, wenn sich auch die Grünen solch einem Vorschlag öffnen würden und sagen, ob sie für eine Volksabstimmung sind", sagte Gabriel am Montag in Stuttgart nach der gemeinsamen Sitzung der SPD-Präsidien von Bund und Land.

Die Proteste gegen das milliardenteure Bauvorhaben seien "ein Signal des Misstrauens der Bevölkerung gegen etablierte Politik", sagte der SPD-Chef weiter. Deshalb sei eine neue Politikkultur nötig, bei der die Bürger mit Elementen der direkten Demokratie mehr beteiligt werden. Eine Volksabstimmung und nicht die baden-württembergische Landtagswahl im kommenden März sei deshalb der richtige Weg, um über "Stuttgart 21" zu entscheiden.

Lindner: Grüne surfen auf Protestwelle

Unterdessen hat FDP-Generalsekretär Christian Lindner den Grünen vorgeworfen, die Protestbewegung gegen "Stuttgart 21" für ihre parteipolitischen Zwecke nutzen zu wollen. "Die Grünen wollen auf der Protestwelle surfen", sagte Lindner. Einen völligen Baustopp könne es nach seinem Dafürhalten nicht geben.

Lindner bezog sich dabei unter anderem auf die Ankündigung des Grünen-Vorsitzenden Cem Özdemir in der Onlineausgabe der "Bild"-Zeitung, die Grünen wollten im Falle eines Wahlsieges in Baden-Württemberg den Bau "des unsinnigen Tiefbahnhofs" in Stuttgart verhindern. Es wäre auch ein Standortnachteil für Deutschland, wenn ein in rechtstaatlichen Verfahren genehmigtes Projekt nicht gebaut würde. Wenn etwas genehmigt sei, muss man sich auch darauf verlassen können, dass es gebaut werde. (AFP/dapd)

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