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Stuttgart 21: Westerwelle warnt vor Nichts-geht-mehr-Republik

Für FDP-Chef Westerwelle hat der Bau von Stuttgart 21 grundsätzliche Bedeutung. Konfliktschlichter Geißler kritisiert hingegen die Entscheidungsprozesse bei dem Projekt scharf.

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Berlin/Potsdam - Unmittelbar vor Beginn einer neuen Demonstration gegen Stuttgart 21 haben die Spitzen der schwarz-gelben Bundesregierung vehement Stellung für das Bahnhofsprojekt bezogen. „Wenn wir in Deutschland keine Straßen, keine Flughäfen, keine Stromleitungen und nun sogar keine Bahnhöfe mehr bauen dürfen, dann werden wir Zukunft und Wohlstand in unserem Land verspielen“, warnte Vizekanzler und FDP-Chef Guido Westerwelle in einem Interview mit dem Tagesspiegel am Sonntag. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach auf dem Deutschlandtag der Jungen Union in Potsdam von einem „richtigen und wichtigen“ Verkehrsprojekt für Europa: „Wir haben alle Gründe, uns für Stuttgart 21 einzusetzen.“

Der Schlichter in dem Konflikt Heiner Geißler kritisierte hingegen die Entscheidungsprozesse für das umstrittenen Bahnbauvorhaben scharf. "Staatliche Entscheidungen bei solch gravierenden Projekten ohne Einbindung der Bürger gehören dem vorherigen Jahrhundert an", sagte der frühere CDU-Generalsekretär in der "Bild am Sonntag". "Die Schlichtung ist ein deutliches Signal dafür, dass in Deutschland die Zeit der Basta-Entscheidungen vorbei ist."

Die Gegner des Bauvorhabens kamen ungeachtet der laufenden Schlichtungsgespräche am Samstagnachmittag zu einer weiteren Protestaktion in Stuttgart zusammen. Die Zahl der rund 25 000 Teilnehmer blieb aber hinter den Erwartungen der Veranstalter zurück. Am Abend besetzten Demonstranten vorübergehend den Südflügel des Hauptbahnhofs.

An der Kundgebung der Stuttgart-21-Gegner nahm auch der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir teil. Die Grünen, die das Bauvorhaben seit langem ablehnen, profitieren bisher als einzige politische Kraft im Südwesten von den Protesten. In Umfragen liegen sie weit vor der SPD und nur noch knapp hinter der CDU von Ministerpräsident Stefan Mappus. In Baden-Württemberg wird im Frühjahr ein neuer Landtag gewählt. Eine Niederlage der schwarz-gelben Landesregierung würde die Koalition im Bund erheblich schwächen.

Nach den Worten Westerwelles ist die Entscheidung über Stuttgart 21 von grundsätzlicher Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland: „Als Außenminister stelle ich mir auch die Frage, welches Zeichen wir als Land insgesamt in die Welt senden. Sind wir ein Standort der Veränderungsbereitschaft oder des Stillstands?“ Die Welt des 21. Jahrhunderts sei voller Länder, deren Gesellschaften eine enorme Veränderungsbereitschaft an den Tag legten. „Dagegen sehe ich hierzulande Anzeichen für eine skeptische Grundhaltung, die sich breitmacht.“ Eine „Nichts-geht-mehr-Republik“ könne keinen Wohlstand für alle sichern, sagte Westerwelle. Der FDP-Chef kündigte an, die Veränderungsbereitschaft in Deutschland zum Thema in den Landtagswahlkämpfen im kommenden Jahr zu machen: „Ich habe große Lust, diesen gesellschaftlichen Kampf aufzunehmen und auszutragen: Es geht darum, ob Dagegen-Parteien wie SPD, Grüne und Linkspartei die Zukunft verbauen oder ob die Kräfte des Dafür Chancen und Perspektiven schaffen.“

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf Bahn-Chef Rüdiger Grube in der „Bild am Sonntag“ vor, die Bemühungen des Schlichters Heiner Geißler zu torpedieren. „Offensichtlich glaubt Herr Grube, eine Schlichtung sei ein bisschen Beruhigungs-Heiteitei für die Gegner. Er eskaliert, provoziert, polarisiert.“ Während der Schlichtung dürften keine Fakten geschaffen werden, die eine Entscheidung in die eine oder andere Richtung vorwegnehmen. „Deshalb darf Grube jetzt keinen Auftrag über 800 Millionen Euro für den Tunnelbau vergeben. So schafft er Schadenersatzansprüche von morgen“, sagte Trittin.

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