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Sudan: Bashir und der rote Teppich

Streit um einen geplanten Besuch des sudanesischen Präsidenten Hassan Omar al Bashir: Die EU fordert von der Türkei die Ausladung des per Haftbefehl gesuchten Bashir.

Zwischen der Türkei und der EU gibt es Streit um einen geplanten Besuch des sudanesischen Präsidenten Hassan Omar al Bashir in Istanbul. Bashir, der wegen der Massaker in Darfur vom Internationalen Strafgerichtshof mit einem Haftbefehl belegt worden ist, hat sich für einen zweitägigen Wirtschaftsgipfel der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) am Bosporus angesagt, der an diesem Sonntag beginnt. Ein Vertreter der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft bat die türkische Regierung, die Einladung zu überdenken. Doch Ankara sieht keinen Grund, Bashir wieder auszuladen.

Bashir hatte die Türkei bereits im Januar und August 2008 besucht, doch dies ist die erste Visite, seit der Internationale Strafgerichtshof im März Haftbefehl gegen ihn erließ. Eine erneute Reise in die Türkei muss Bashir dennoch nicht fürchten. Ankara hat das Rom-Statut aus dem Jahr 2002, mit dem der Internationale Strafgerichtshof eingerichtet wurde, bis heute nicht unterschrieben und fühlt sich deshalb auch nicht an den von dem Gericht erlassenen Haftbefehl gebunden. Zudem sei die Türkei nicht der Gastgeber des OIC-Treffens in Istanbul, sagten Staatspräsident Abdullah Gül und Außenminister Ahmet Davutoglu.

Mit der recht lahmen Ausrede versucht die Türkei, sich aus einer schwierigen Situation zu befreien. Wenn sie Bashir auslädt, riskiert sie einen Rückschlag für ihre Wirtschaftsinteressen im Sudan und einen Imageschaden in der islamischen Welt. Auf der anderen Seite will das einzige muslimische Nato-Mitglied den Eindruck vermeiden, es schütze einen mutmaßlichen Schwerverbrecher aus religiösen Gründen gegen eine Institution des Völkerrechts.

Doch genau diesen Eindruck vermittelt Ankara, sagen Kritiker. „Für ein Land auf dem Weg in die EU ist das inakzeptabel“, sagte Özlem Altiparmak von der Koalition für den Internationalen Strafgerichtshof, ein Dachverband von 16 Menschenrechtsgruppen, die die Türkei dazu bringen wollen, das Rom-Statut zu unterzeichnen. Auch die Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch warnte die Türkei davor, Bashir erneut ins Land zu lassen.

Erst kürzlich hatte die Türkei angesichts der Absage eines gemeinsamen Militärmanövers mit Israel und die gleichzeitige Verbesserung ihrer Beziehungen zu Israel-Feinden wie Syrien und Iran bei westlichen Beobachtern die Frage ausgelöst, ob sich die Türken vom Westen ab- und dem islamischen Osten zuwenden. Die türkische Führung weist dies zurück. Die Türkei lasse sich von Werten wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten leiten, sagte Gül dazu.

Nicht nur, dass dieser hehre Anspruch ins Wanken gerät, wenn die Türkei für Bashir den roten Teppich ausrollt. Die Türkei mache sich auch unglaubwürdig, findet Altiparmak. „Wie kann Erdogan die Israelis wegen der Lage in Gaza kritisieren und dann mit Bashir reden?“ fragte sie. „Hier wird mit zweierlei Maß gemessen.“

Auch ohne Unterschrift unter das Rom-Statut hätte die Türkei alle Möglichkeiten, gegen Bashir vorzugehen, sobald er einen Fuß auf türkischen Boden setzt, sagte die Menschenrechtlerin. Artikel 13 des türkischen Strafgesetzbuches schreibt das sogenannte Weltrechtsprinzip fest, nach dem schwere Verbrechen wie Massenmord auch dann von der türkischen Justiz verfolgt werden können, wenn sie von Ausländern und im Ausland begangen wurden. Dennoch denkt die Regierung in Ankara nicht daran, den sudanesischen Präsidenten festnehmen zu lassen. „Die Türkei wird Bashir kein Haar krümmen“, meldete der Nachrichtensender Habertürk.

Bashir ist nicht der einzige kontroverse Gast beim OIC-Treffen. Auch der iranische Präsident Mahmut Ahmadinedschad hat laut Medienberichten sein Kommen angekündigt. Seine Rede in Istanbul werde Ahmadinedschad zu neuen Angriffen auf den Westen und auf Israel nutzen, berichten die Zeitungen bereits im Vorfeld des Besuchs.

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