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© AFP

Südafrika: Die Rede, die alles veränderte

Vor 20 Jahren beendete Südafrikas letzter weißer Präsident de Klerk die Apartheid – er hat es nie bereut.

Es gibt Momente in der Geschichte, die zum Symbol einer ganzen Ära werden. Die Ermordung John F. Kennedys zählt genauso dazu wie der Fall der Berliner Mauer. Oder das Ende der Apartheid. Chronisten datieren den Beginn des neuen Südafrika auf den 2. Februar 1990. An jenem heißen Kapstädter Mittsommertag vor 20 Jahren hielt Frederik Willem de Klerk, der letzte weiße Präsident des Landes, seine erste Rede anlässlich der traditionellen Eröffnung des Parlaments. Erst ein knappes halbes Jahr im Amt, galt de Klerk damals gemeinhin als politisch verkrampft. Im Kabinett seines Vorgängers wurde er von vielen als Anführer des rechten Flügels betrachtet.

Die in- und ausländische Presse erwartete folglich nicht viel, als sie sich am 2. Februar im Kapstädter Regierungsgebäude einfand. Doch de Klerk überraschte sie alle. Bis heute wird seine Ansprache als „die Rede“ bezeichnet, weil sie am Kap alles veränderte. De Klerk kündigte die Zulassung der verbotenen (schwarzen) Opposition an, die bedingungslose Freilassung aller politischen Gefangenen, darunter Nelson Mandela, und die Abschaffung der fast 50 Jahre zuvor eingeführten Apartheid. Allister Sparks, der Doyen des Pressecorps, murmelte: „Mein Gott, er hat alles getan. Alles.“

Die Rede schlug auch im Ausland ein wie eine Bombe. Die Frage, weshalb er die Macht damals ohne zwingende Notwendigkeit aus der Hand gab, gehört zu den ungelösten Rätseln des 20. Jahrhunderts. Schließlich lag in dem Moment auch eine bittere Ironie: De Klerk wusste, dass die Preisgabe der weißen Vorherrschaft, und damit seine eigene Entmachtung, die politische Krönung seines Lebens darstellen würde. Immerhin brachte ihm das den Friedensnobelpreis ein.

Der letzte weiße Präsident hat bis heute wenig über den tiefen inneren Zwiespalt und die Überwindung enthüllt, die seiner Entscheidung vorausgegangen sein müssen. Im Vordergrund standen sicherlich die Interessen seines burischen Volkes, dessen Überleben in Afrika er durch den freiwilligen Machtverzicht zu garantieren suchte. Wer hingegen eine moralische Bekehrung erwartete und hoffte, das Gute würde am Ende das Böse besiegen, dürfte enttäuscht worden sein. Schon von seinem Wesen her ist de Klerk dazu nicht in der Lage, weil er bei aller Emotionalität ein zu kühler Analytiker ist. „Ich war an dem Tag ganz ruhig, obwohl ich wusste, dass die Folgen der Rede das Gesicht Südafrikas, wie wir es kannten, für immer verändern würden“, erinnert er sich. Seine eigene Rolle sieht de Klerk dabei in einem langen Kontinuum: Die beispiellose Reforminitiative am 2. Februar sei jedenfalls „nicht aus dem Nichts gekommen“, sondern habe auf dem graduellen Reformprozess unter seinen Vorgängern gefußt. Er selbst sei kurz nach seiner Amtsübernahme im September 1989 zu der Überzeugung gelangt, dass kleine Reformschritte wenig nutzten, und dass er die Initiative mit einer gewagten Rede ergreifen müsse, statt nur immer auf die Ereignisse zu reagieren.

Heute bedauert de Klerk vor allem eine gewisse Nostalgie, die viel von dem überdecke, was in den letzten 20 Jahren in Südafrika erreicht worden sei. Zu oft würden vor allem die Wohlhabenderen ihre Sorgen und Ängste im neuen Südafrika mit den Dingen vergleichen, an die sie sich im alten Südafrika gerne zurückerinnerten, etwa die viel niedrigere Kriminalität. „Der wahre Vergleich sollte an einem solch historischen Tag ein anderer sein: Was wäre aus Südafrika geworden, wenn ich und meine Partei sich damals an die Macht geklammert hätten, wenn die Rede am 2. Februar nie gehalten worden wäre?“, sagt er.

De Klerk hat immer betont, dass Südafrika mit all seinen vielen Fehlern heute besser sei. Bereut hat er seine Rede jedenfalls nie. Dennoch beunruhigen ihn viele Entwicklungen, wie etwa die rassische Polarisierung unter Mandela-Nachfolger Thabo Mbeki, aber auch die große Ernüchterung der Menschen. Begründet sieht de Klerk dies in der Kriminalität, der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit sowie der stark gestiegenen Korruption. Vor allem aber beunruhigen ihn die Versuche des ANC, Südafrikas Verfassung und Gerichte zu unterminieren. Aus diesem Grund setzt er sich mit seiner De-Klerk-Stiftung für die Verteidigung der modernen Verfassung ein. „Südafrika muss alles versuchen, die zarte Pflanze seiner jungen Demokratie zu nähren – und darauf achten, dass diese nicht in der Hitze der harten Realität verdorrt“, warnt er.

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