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Helen Zille war frühe Apartheid-Gegnerin. Heute fürchtet der ANC sie.

© dpa

Südafrika: „Die Südafrikaner erwarten keine Wunder“

Oppositionsführerin Helen Zille sieht die Macht des ANC schwinden. Ihr Land jedoch sei auf einem guten Weg, sagt die Großnichte von Heinrich Zille bei einem Besuch in der Heimatstadt ihres berühmten Verwandten.

Für die ewige Regierungspartei ist Helen Zille wenig optimistisch: „Es ist völlig klar, dass Jacob Zuma wiedergewählt wird“, prophezeit die Oppositionsführerin und Chefin der Partei „Democratic Alliance“ (DA). Am Sonntag hat der Parteitag des seit fast zwei Jahrzehnten in Südafrika herrschenden ANC in Bloemfontein begonnen; für Dienstag ist die Wahl der neuen – oder alten – Führung geplant. Staatspräsident Zuma kandidiert erneut als Parteichef. Und selbst ein schlechteres Ergebnis – erwartbar angesichts der Unzufriedenheit und der Flügelkämpfe im ANC – werde Zuma nicht einschüchtern oder seinen Kurs ändern können, sagt Zille, „einfach weil er keinen Kurs hat: Das ist genau das Problem. Seine große Stärke ist es, alles zusammenzuhalten, nicht, eine Strategie zu haben“.

Helen Zille, die in der vergangenen Woche auf Einladung der Friedrich-Naumann-Stiftung in Deutschland zu Besuch war, ist die Frau, die seit Jahren an der Übermacht des ANC knabbert. Als Regierungschefin von Western Cape regiert sie die einzige der neun südafrikanischen Provinzen, in der der ANC nicht die Mehrheit hat. Sie war von 2006 bis 2009 auch Bürgermeisterin von Kapstadt. Ihr Sieg gegen die Amtsinhaberin vom ANC war die erste Wahlniederlage der Regierungspartei seit dem Ende der Apartheid 1994.

Dass die ANC-Granden ihr folglich das Leben und die Politik so schwer zu machen suchen wie nur möglich, ist ebenso verständlich, wie es in ihrem Falle schwierig ist. Zille, vor 61 Jahren in Johannesburg als Tochter deutscher Emigranten geboren, die im NS-Regime als Halbjuden galten, ist eine in der Wolle gefärbte Apartheidsgegnerin und hat sich früh gegen die rassistische Staatsideologie des weißen Südafrika gestellt. Als Journalistin der Johannesburger Zeitung „Rand Daily Mail“ deckte sie den Foltermord am schwarzen Bürgerrechtler Steve Biko 1977 auf und verlor 1982 wegen ihrer oppositionellen Haltung ihre Stelle.

Dass sie weiß ist, werde trotzdem noch immer benutzt, um sie zu diskreditieren. „Rasse funktioniert immer“, sagt sie im Gespräch mit Journalisten in Berlin. „Das wirkt aber immer weniger.“ Zumal es nicht stimme, dass ihre DA eine weiße Partei sei: „Fünf unserer sieben Führungsleute sind schwarz“, sagt die Chefin. „Als ich zum ersten Mal Rassistin genannt wurde, war ich empört“, sagt Zille. Und weil die Großnichte des Berliner „Milljöh“-Künstlers Heinrich Zille die Tochter deutscher Eltern ist, ergänzt sie auf Deutsch: „Jetzt ist es mir ganz egal.“

So wenig sich Zille Veränderungen im Regierungslager erhofft, so hoffnungsvoll ist sie für ihr Land, das mit einer dramatischen Arbeitslosigkeit, Armut und grassierender Korruption kämpft. „Wir sind in einem Rennen gegen die Zeit, keine Frage. Aber ich glaube, wir können das Problem extremer Armut in einer Generation lösen.“ Die Frage, ob man Wählern derart langfristige Ziele verkaufen könne, erstaunt Zille: Eine Generation, zwanzig Jahre, das sei doch eher wenig. „Ich glaube, dass die meisten Südafrikaner realistisch genug sind, keine Wunder in wenigen Jahren zu erwarten.“

Die Aussichten ihrer multiethnischen Heimat hält sie für ausgezeichnet: „Wir haben im Alltag keine kulturellen Gegensätze. Bei uns funktionieren Dinge, die anderswo zu Kriegen führen würden. Nicht das ist es, was uns quält, es ist die Armut.“ Auch die Institutionen des Landes seien trotz der langen Herrschaft einer Partei in guter Verfassung: „Unsere Justiz funktioniert, die Medien sind sehr frei“, sagt Zille. Der Maulkorb, den das „Gesetz zum Schutz der Information“ ihnen verpasst habe, werde das Verfassungsgericht kassieren, da ist sich Zille sicher. Es wurde vor einem Jahr verabschiedet und bestraft den Besitz und die Verbreitung vertraulicher oder geheimer Informationen mit Haft bis zu 25 Jahren. Nach Ansicht von Kritikern sehen die entscheidenden Passagen des Texts dem repressiven Pressegesetz des Apartheid-Regimes zum Verwechseln ähnlich.

Auch das Ende der unangefochtenen Herrschaft der Staatspartei sieht Zille in erkennbarer Nähe: „Der ANC hat den Sprung von einer Befreiungsbewegung zu einer regierenden Partei nicht geschafft. Ohne Plan kann man aber nicht regieren.“ Das begriffen inzwischen auch treue ANC-Wähler: Immer mehr sichere Wahlkreise gingen Zumas Leuten verloren; selbst sein Heimatdorf, in das der Staatspräsident fantastische Summen gepumpt habe, werde nicht mehr vom ANC regiert. Anders als zu Zeiten der Apartheid, sagt Zille, sei sie „vollkommen optimistisch“.

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