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Südsudan: 3000 Tote für ein paar Tausend Rinder

Die brutale Realität hat den Südsudan eingeholt. In der Provinz Jonglei hat ein alter Konflikt zwischen zwei Hirtenvölkern seit August zu mehreren Massakern geführt.

Der Jubel über die Unabhängigkeit vor einem halben Jahr ist vergangen. Nun hat die brutale Realität den Südsudan eingeholt. Ende Dezember und in den ersten Januar-Tagen sind nach Angaben des Verwaltungschefs der Stadt Pibor im südsudanesischen Bundestaat Jonglei, Joshua Konyi, rund 3000 Menschen getötet worden. Nach seinen Angaben haben rund 6000 bewaffnete Jugendliche des Viehhirten-Volkes Lou Nuer mehr als 2100 Frauen und Kinder und rund 900 Männer getötet, als sie kurz vor dem Jahreswechsel die Stadt Pibor überrannt haben. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind rund 50.000 Angehörige des Viehhirten-Volkes Murle vertrieben worden und dringend auf Hilfe angewiesen.

Schon seit August 2011 ist der Dauerkonflikt zwischen den Lou Nuer und den Murle wieder voll ausgebrochen. Rund 1000 Menschen sind schon vor dem Massaker getötet worden. Allein im August, als die Murle die Lou Nuer angriffen, um Vieh zu stehlen und Kinder zu entführen, sollen etwa 700 Menschen gestorben sein. Die Lou Nuer bezeichnen ihr Massaker deshalb als Revanche-Attacke.

Akot Mzee, ein früherer Verwaltungschef von Pibor und Angehöriger der Murle, hat den Angriff auf sein Volk in der „Sudan Tribune“ als „ethnische Säuberung“ bezeichnet. Die „Weiße Armee“ der Luo Nuer – eine Referenz an eine vom Nordsudan unterstützte Rebellentruppe gegen die südsudanesische Regierungspartei SPLM, die aufgelöst worden war – habe in einer Erklärung klargestellt, dass sie „den gesamten Murle- Stamm auslöschen“ wolle; das sei die „einzige Lösung für eine langfristige Sicherheit der Nuer-Rinderherden“. Vor zwei Jahren hatten ähnliche Konflikte zwischen den zwei Völkern schon einmal zu Tausenden Toten und Vertriebenen geführt. Inzwischen sind die Nuer-Jugendlichen mit Tausenden Rindern wieder auf Heimweg in der gleichen Provinz. Allerdings gibt es dort zu wenig Wasser, und die Trockenzeit steht bevor, in der die Lou Nuer mit dem Vieh in Dinka- und Murle-Gebiet ziehen müssen. Deshalb ist die Einschätzung des südsudanesischen Vizepräsidenten Riek Machar, der aus Jonglei stammt, ziemlich optimistisch, dass durch eine Pufferzone und eine Friedenskonferenz eine „Lösung“ gefunden werden könne.

Die Vereinten Nationen sind im Süden in einer mehrfach verzwickten Lage, was den Schutz der Menschen angeht. Zum einen ist die mit internationalen Soldaten unterstützte Mission vor allem darauf angelegt, den Aufbau des jungen Staates zu flankieren. Um dieses Anliegen nicht zu konterkarieren und den Eindruck zu erwecken, die Welt erwarte einen neuen Krieg, habe man dort trotz aller Probleme keine groß angelegte Militärmission ins Auge gefasst, heißt es in UN-Kreisen. Allerdings wissen die internationalen Kräfte um die Probleme, die es um Viehherden, aber auch mit Warlords gibt, die jahrelang den Unabhängigkeitskampf unterstützt haben, in der neuen Regierung aber nicht zum Zuge kamen oder sich vorher gegen Juba gewendet hatten.

Dennoch sind bereits rund 6500 UN-Soldaten dort im Einsatz. Deren Aufgabe sind bisher lokal begrenzte Kleinkonflikte und der Schutz der zivilen Helfer. Groß angelegte Angriffe könnte selbst eine Nato-Mission nicht verhindern, sagt ein Kenner. Im Moment fehlen den UN entsprechend ausgelegte Hubschrauber, um Unterstützungstruppen gegebenenfalls schnell an einen Brennpunkt zu bringen. Die Unmiss hofft, im Februar sechs Hubschrauber zu bekommen. Außerdem ist eine Mission entlang der Grenze zwischen Nord- und Südsudan mit beiden Staaten geplant, nicht zuletzt, um Rebellen im Auge zu behalten.

Derweil gibt es außerdem einen pikanten Streit um die internationalen Sicherheitskräfte mit der Regierung in Juba. Sie will rund 1500 UN-Infanteriesoldanten von insgesamt 2000 aus Bangladesch stammenden UN-Soldaten keine Visa mehr erteilen. Als Begründung werde angeführt, sie seien muslimisch, ist zu hören. Das hatte bisher keine Rolle gespielt. Offenbar versucht Juba, seine Ressentiments gegen den vorwiegend muslimisch geprägten Norden des Landes auf andere Nationen auszuweiten.

Der Viehhirten-Krieg ist nicht der einzige Brennpunkt im Südsudan. Schon seit Monaten wird in den grenznahen Provinzen Kordofan und Blue Nile auf der anderen Seite der Grenze gekämpft – mit dem Ergebnis, dass rund 80 000 Menschen aus dem Norden in den verarmten Süden geflohen sind. Außerdem kommen noch immer Tausende Südsudanesen aus dem Sudan zurück in ihre Heimat – und finden dort nichts vor. Auch das schürt lokale Konflikte um Ressourcen und Land.

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