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15 Millionen Wahlberechtigte sollten die neue Verfassung von Assad absegnen.

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Syrien: Assad lässt abstimmen – und töten

Auch während des Referendums über eine neue Verfassung wurde in Syrien weiter gekämpft. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) bezeichnete das Referendum als Farce.

Trotz anhaltender Gewalt und Boykottaufrufen der Opposition hat Syriens Regime zur Abstimmung über eine neue Verfassung aufgerufen. Während in Protesthochburgen am Sonntag weiter gekämpft wurde, gab Präsident Baschar al Assad in der Hauptstadt Damaskus medienwirksam und unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen seine Stimme ab. Die seit Wochen belagerte Stadt Homs stand nach Angaben von Aktivisten weiter unter Beschuss.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) bezeichnete das Referendum als Farce. „Scheinabstimmungen können kein Beitrag zu einer Lösung der Krise sein“, erklärte er in Berlin. „Assad muss endlich die Gewalt beenden und den Weg für einen politischen Übergang freimachen.“ Frühmorgens um 6.00 Uhr öffneten nach Angaben staatlicher syrischer Medien landesweit rund 14 000 Wahllokale. Etwa 15 Millionen Wahlberechtigte waren aufgerufen, sich an dem Referendum zu beteiligen. Fernsehbilder zeigten zahlreiche Syrer bei der Stimmabgabe. Unabhängige Angaben zur Beteiligung an dem Referendum gab es zunächst aber nicht. Wegen der vom Assad-Regime verhängten Medienblockade ist eine Überprüfung der Berichte aus Syrien nur schwer möglich.

Assad und seine Frau bei der Abstimmung.
Assad und seine Frau bei der Abstimmung.

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Wichtigste Neuerung im Verfassungsentwurf ist, dass die Monopolstellung der regierenden Baath-Partei aufgehoben werden soll. Allerdings bleiben politische Aktivitäten auf Basis der Religion oder der Stammeszugehörigkeit untersagt. Beobachter gehen davon aus, dass dies vor allem den Kurden und Vereinigungen wie der verbotenen Muslimbruderschaft schadet. Mit dem Referendum werde die Macht des Präsidenten kaum eingeschränkt, kritisieren Aktivisten. Vielmehr behalte er weitreichende Vollmachten wie die Befugnis, das Parlament aufzulösen und die Regierung zu berufen.

Regierungstruppen gingen weiterhin massiv gegen Regimegegner vor. In den Protesthochburgen Homs, Hama und Daraa wurden erneut zahlreiche Menschen getötet – entweder durch massiven Beschuss der Assad-Armee oder bei Kämpfen zwischen regimetreuen Soldaten und Deserteuren. Landesweit gab es am Wochenende mehr als 100 Tote, die meisten in Homs und Hama. Der vor einem Jahr begonnene Aufstand gegen Assad hat nach Schätzungen von Menschenrechtlern bereits deutlich mehr als 7000 Menschen das Leben gekostet. Ein Aktivist aus Homs berichtete in einem im Internet verbreiteten Video, die Straßen der Stadt seien leer, und es gebe dort auch keine Wahllokale. „Das ist die neue Verfassung, wer Freiheit will, wird mit Raketen beschossen“, sagte er.

Während der Machthaber von seinen Anhängern in Damaskus gefeiert wurde, lag unter anderem die Stadt Homs unter Beschuss.
Während der Machthaber von seinen Anhängern in Damaskus gefeiert wurde, lag unter anderem die Stadt Homs unter Beschuss.

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Helfer von Rotem Kreuz und Rotem Halbmond konnten nach einem ersten erfolgreichen Einsatz am Freitag indes keine weiteren verletzten Zivilisten aus dem Stadtteil Baba Amro von Homs in Sicherheit bringen. Hisham Hassan vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) sagte, Verhandlungen mit den Behörden und der Opposition hätten „keine konkreten Ergebnisse“ gebracht. Retter konnten auch die Leiche der am Mittwoch bei einem Artillerieangriff in Homs getöteten US-amerikanischen Journalistin Marie Colvin nicht bergen. Wie der US-Nachrichtensender CNN unter Berufung auf ihre Mutter berichtete, wird sie deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit in Syrien beerdigt.

Die EU-Außenminister wollen an diesem Montag neue Sanktionen gegen das Assad-Regime beschließen. Dabei geht es unter anderem um Einreiseverbote gegen sieben Minister, um die Einfrierung von Vermögenswerten der Nationalbank in Europa und um ein Verbot des Handels mit Gold, Edelmetallen und Edelsteinen. Bisher gibt es gegen 108 führende Personen des Regimes Visaverbote. (dpa/AFP)

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