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Baschar al-Assad: Seinem Regime wirft Human Rights Watch systematische Folter vor.

© dpa

Syrien-Krise: Human Rights Watch: Assad lässt systematisch foltern

Syriens Staatschef Baschar al-Assad spricht öffentlich davon, er bedauere den Abschuss eines türkischen Kampfjets durch die syrische Armee vor knapp zwei Wochen - und liefert gleich einen Versuch der Rechtfertigung mit. Unterdessen berichtet Human Rights Watch von systematischer Folter in 27 Gefängnissen.

Knapp zwei Wochen ist es her, dass Syrien einen türkischen Kampfjet abschoss und damit eine diplomatische Krise auslöste. Nun hat sich Staatschef Baschar al-Assad öffentlich zu dem Vorfall geäußert - und gesagt, er bedauere ihn "zu 100 Prozent".

Die Maschine sei in einem „Luftkorridor“ unterwegs gewesen, das in der Vergangenheit mehrfach von der israelischen Luftwaffe genutzt worden sei, sagte Assad in einem am Dienstag veröffentlichten Interview mit der türkischen Zeitung "Cumhüriyet".

Dort heißt es auch, Assad wünschte, dass die Maschine nicht abgeschossen worden wäre. Er werde nicht zulassen, dass sich die Spannungen zwischen beiden Ländern zu einem offenen Kampf ausweiteten.

Video: Schwere Folter-Vorwürfe gegen Syrien:

Assad wies die Anschuldigung der Türkei zurück, die syrische Luftabwehr habe den türkischen Kampfjet absichtlich abgeschossen. „Ein Land im Krieg handelt immer auf diese Weise“, sagte er. Die Maschine sei sehr tief geflogen, und die syrische Armee habe den Jet für eine israelische Maschine gehalten.

Der verantwortliche Soldat habe kein Radar zur Verfügung gehabt und habe daher nicht gewusst, aus welchem Land der Kampfjet stamme. Den Familien der beiden Piloten, die noch immer nicht gefunden wurden, sprach Assad sein Mitgefühl aus.

In Bildern: Syrien schießt türkischen Kampfjet ab

Der Jet war am 22. Juni abgeschossen worden. Die NATO hatte den Vorfall scharf verurteilt, Ankara hatte den Ton deutlich verschärft und mit Militärschlägen gedroht. Syrien wirft der Türkei vor, mit dem Kampfjet in seinen Luftraum eingedrungen zu sein. Der türkischen Regierung zufolge wurde die Maschine von der syrischen Flugabwehr jedoch ohne Vorwarnung und in internationalem Luftraum abgeschossen. Dazu sagte Assad in dem Interview: „Wenn dieses Flugzeug in internationalem Luftraum abgeschossen worden wäre, hätten wir uns sofort entschuldigt.“ Wann das am Dienstag veröffentlichte Interview geführt wurde, war zunächst nicht klar.

Unterdessen hat die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch der syrischen Regierung systematische Folter und Verbrechen gegen die Menschlichkeit hat vorgeworfen. Die Menschenrechtsorganisation hat nach eigenen Angaben 27 Gefängnisse des Geheimdienstes identifiziert, in denen regelmäßig gefoltert wird. Ein am Dienstag in New York veröffentlichter Bericht listet die Einrichtungen auf - mit Ort, zuständiger Behörde, Foltermethoden und oft auch dem verantwortlichen Offizier.

UN-Beobachter sind zurück in Syrien:

„Das Muster dieser systematischen Misshandlungen, das Human Rights Watch hier dokumentiert, zeigt klar eine staatliche Politik der Folter und Misshandlung auf. Damit erfüllt es die Bedingungen für ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, teilte die Organisation mit. „Die Geheimdienste betreiben ein Netz von über das Land verstreuten Folterzentren“, sagte HRW-Gutachter Ole Solvang. „Mit der Veröffentlichung der Orte und Foltermethoden und der Identifizierung der Vorgesetzten wollen wir zeigen, dass sich diese für die furchtbaren Verbrechen werden verantworten müssen.“

Human Rights Watch hat den Bericht eigenen Angaben zufolge aus den unterschiedlichsten Quellen zusammengestellt. Den Kern stellten mehr als 200 Befragungen dar, die die Organisation seit Beginn der Niederschlagung der Proteste im März vergangenen Jahres aufgezeichnet habe. Die Menschenrechtsorganisation forderte den UN-Sicherheitsrat auf, Sanktionen gegen das Regime in Damaskus zu verhängen, damit das Töten ein Ende finde.

In den Reihen der Armee schwindet der Rückhalt für Assad

Wie viele Menschen inzwischen im Laufe des Konflikts starben, ist unklar, weil die Regierung keine unabhängigen Gutachter ins Land lässt. Die Vereinten Nationen gehen von mindestens 12 000 Toten aus, die meisten von ihnen Zivilisten. In den Reihen der syrischen Armee schwindet währenddessen offenbar der Rückhalt für die Führung von Präsident Baschar al-Assad. Wie die türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, flohen am Montag 85 syrische Soldaten mit mehr als 200 Verwandten über die Grenze in die Türkei. Unter ihnen seien auch mehrere ranghohe Militärs, unter anderem ein General, ein Oberst, ein Oberstleutnant sowie 18 weitere Offiziere, berichtete Anadolu. Die Militärs seien innerhalb einer Gruppe von insgesamt 293 Menschen über Reyhanli im Süden in die Türkei gekommen. Seit Beginn des Syrien-Konflikts fliehen immer wieder Militärs. Erst im Juni sorgte der Fall eines syrischen Kampfpiloten für Aufsehen, der mit seinem Flugzeug nach Jordanien floh. Mehrere westliche Länder forderten daraufhin weitere Mitglieder der Armee zum Desertieren auf. In den Flüchtlingslagern in der Türkei, in die sich bereits mehr als 35.000 Syrer in Sicherheit gebracht haben, befinden sich nun 14 syrische Generäle.

Im Video: Assad laufen die Offiziere davon

Die Arabische Liga hat sich mittlerweile eindeutig auf die Seite der Opposition gestellt. Der Generalsekretär der Liga, der Ägypter Nabil al-Arabi, sagte am Montag zu Beginn des zweitägigen Treffens der syrischen Opposition in Kairo, die Schuld an dem blutigen Konflikt trage das Regime von Präsident Baschar al-Assad: „Die Angriffe der Regierung gegen das syrische Volk sind nicht zu vergleichen mit dem, was einzelne Gruppierungen der Opposition tun.“

(AFP, Reuters, dpa)

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