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Die syrischen Rebellen bringen immer größere Gebiete unter ihre Kontrolle.

© reuters

Syrien: Assads Ende rückt näher

In Syrien sind die Rebellen weiter auf dem Vormarsch – inzwischen sogar mit schweren Waffen. Das hat die Lage auf dem Schlachtfeld womöglich kriegsentscheidend verändert. Um Machthaber Assad wird es derweil immer einsamer.

In Syrien gewinnen die Rebellen immer mehr an Boden. Aufständische eroberten nach eigenen Angaben ein halbes Dutzend Kleinstädte in der zentralsyrischen Provinz Hama. Damit kontrollieren die Rebellen, die nach UN-Angaben über immer bessere Waffen verfügen, nun ein Gebiet, das bis zur türkischen Grenze rund 200 Kilometer nach Norden reicht. Russland, der wichtigste Partner Syriens, distanzierte sich am Donnerstag von der Regierung in Damaskus. Moskau bereitet zudem offenbar die Ausreise seiner Staatsbürger aus dem Unruheland vor.

Erstmals seit dem Beginn des Aufstands gegen Präsident Baschar al Assad im März 2010 verfügen die syrischen Rebellen über schwere Waffen, mit denen sie den Regierungstruppen Paroli bieten können. Sie haben in den vergangenen Wochen einige Kasernen erobert und ihre Arsenale füllen können. Das hat die Lage auf dem Schlachtfeld möglicherweise kriegsentscheidend verändert: Lange waren die Rebellen nur in der Lage, die Regierungstruppen nadelstichartig anzugreifen. Nun rückt für sie die dauerhafte Kontrolle über ganze Gebiete in den Bereich des Möglichen.

Assads Militär verlegt sich deshalb immer mehr auf die Verteidigung wichtiger Städte und Schläge mit Artillerie und Luftwaffe, wie eine UN-Expertenkommission unter der Leitung des brasilianischen Diplomaten Paulo Pinheiro in Genf mitteilte. Auch der kürzlich von den USA gemeldete Einsatz von Scud-Raketen gehört zu dieser Taktik. Nun nähern sich die Rebellen der Hauptstadt Damaskus.

Die Veränderung im militärischen Gleichgewicht lenkt auch den Blick auf das Erstarken radikal-islamischer Gruppen unter den Rebellen. Die UN-Experten sehen einen Trend hin zu einer verstärkt religiös geprägten Auseinandersetzung zwischen den vorwiegend sunnitischen Rebellen und den alawitisch beherrschten Regierungskräften. Minderheiten wie Armenier und andere Christen sowie Kurden und Drusen werden demnach immer stärker in den Konflikt hineingezogen.

Für den Westen, der eine Ablösung Assads und einen friedlichen Übergang zur Demokratie fordert, wird der Konflikt in Syrien dadurch noch unberechenbarer. Hoffnungen, das inzwischen von vielen Ländern anerkannte Oppositionsbündnis Nationale Koalition werde den militärischen Flügel der Rebellen stärker einer zentralen Kontrolle unterstellen, haben sich bisher nicht erfüllt.

Die Kämpfe verschlimmern zudem die Lage für die Zivilbevölkerung weiter. Die UN wollen deshalb so schnell wie möglich bei ihren Mitgliedsländern 1,5 Milliarden Dollar an Hilfsgeldern sammeln. Der Winter macht der Weltorganisation angesichts von vier Millionen Hilfsbedürftigen in Syrien selbst und einer Million Flüchtlingen in den Nachbarländern Sorgen.

Putin lässt Evakuierung von Russen aus Syrien vorbereiten

Derweil mehren sich die Zeichen dafür, dass Assad weitere Stützen seiner Herrschaft verliert. Der Mufti von Syrien, Scheich Ahmed Hassun, sprach nach Informationen der oppositionellen Website „All4Syria“ bei einer Veranstaltung in Damaskus erstmals von einem Regimewechsel. Das Oberhaupt des offiziellen sunnitischen Islams in Syrien sagte den Angaben zufolge: „Die Bewaffneten sollen den Kampf einstellen und die Waffen niederlegen, denn der Regimewechsel kommt nicht durch Gewalt, sondern durch Dialog.“

Erst vor wenigen Tagen hatte Assads Vizepräsident Faruk al Scharaa mit der Äußerung für Aufsehen gesorgt, die Regierung könne den Krieg gegen die Rebellen nicht gewinnen, ohne das ganze Land zu zerstören. Al Scharaa war vor wenigen Monaten von der Türkei als möglicher Übergangspräsident ins Gespräch gebracht worden. Türkische Diplomaten sehen derzeit aber noch keine Anzeichen dafür, dass der syrische Staatschef zu einem Amtsverzicht bereit sein könnte.

Doch Assad gerät auch auf der internationalen Bühne immer mehr unter Druck. Der russische Präsident Wladimir Putin sagte am Donnerstag, für Moskau gehe es nicht darum, Assad unter allen Umständen im Amt zu halten. Wichtig seien ein Ende des Blutvergießens und Verhandlungen über eine Lösung, bevor das Land zerstört werde.

Putin hat nach Angaben aus Moskau mehrere Kriegsschiffe ins östliche Mittelmeer entsandt, um notfalls russische Staatsbürger aus Syrien holen zu können. Auch das ist ein Zeichen dafür, dass Moskau die Macht Assads immer mehr schwinden sieht. Die Schiffe werden Anfang Januar im Einsatzgebiet erwartet. Russland verfügt über eine große Marinebasis in Syrien.

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