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Vor den Trümmern seiner Schule steht ein Junge in der syrischen Stadt Injara. Laut Aktivisten wurde die Schule von russischen Kampfjets zerstört.

© REUTERS

Syrien: Quittung für Putin

Wenn die Syrien-Gespräche in Lausanne scheitern sollten, dann ist die EU gut beraten, die Sanktionskarte gegen Russland zu ziehen. Ein Kommentar.

Das Blatt hat sich gewendet. Nach einem Angriff auf einen Hilfskonvoi der Vereinten Nationen in der Nähe von Aleppo, für den der Westen Russland verantwortlich macht, sind neue Sanktionen gegen Moskau kein Tabuthema mehr. Es ist nur folgerichtig, wenn nun auch in der EU die Forderung lauter wird, Russland für sein barbarisches Vorgehen in Syrien mit Sanktionen zu bestrafen. Schon in dieser Woche, beim EU-Gipfel in Brüssel, könnte Bundeskanzlerin Angela Merkel das Thema zur Sprache bringen. Die europäischen Außenminister, die sich an diesem Montag treffen, könnten erste Denkanstöße in der Diskussion darüber liefern, wie die EU auf die russische Bombardierung der Zivilbevölkerung in Aleppo reagieren soll. Beispielsweise lässt sich darüber nachdenken, ob Russlands Rüstungsindustrie zum Ziel von EU-Sanktionen werden könnte.

Hoffen auf einen Durchbruch in Lausanne

Noch finden viele dieser Überlegungen im Konjunktiv statt. Der Grund: Zunächst einmal will der Westen – also in erster Linie die USA und die EU – abwarten, ob die gerade erst in Lausanne begonnenen Syrien-Gespräche zwischen Washington und Moskau nicht doch einen Durchbruch bringen. Sollten die Verhandlungen aber scheitern, dann ist es sinnvoll, wenn die EU-Staaten schon jetzt die Sanktions-Karte bereithalten.

Sanktionen haben bewirkt, dass Russland im Donbass nicht noch weiter vorrückt

Wirtschaftliche Strafmaßnahmen gegen Russland wären die richtige Antwort auf Moskaus Vorgehen im Nahen Osten. Russlands Präsident Wladimir Putin möchte in der gesamten Region, neuerdings unterstützt durch seinen türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan, seinen Einfluss ausbauen. Wenn die EU in dieser Situation auf Sanktionen zurückgreifen würde, dann könnte sie einmal mehr den Beweis antreten, dass das Konzept der „soft power“ mehr ist als ein Brüsseler Hirngespinst. Wirtschaftliche Strafmaßnahmen taugen durchaus als diplomatisches Druckmittel. Das haben die Sanktionen gezeigt, die nach der Annexion der Krim verhängt wurden: Ohne die Strafmaßnahmen wäre Russland im Donbass wohl noch weiter vorgerückt.

Clinton könnte den Kurs gegenüber Moskau verschärfen

Hinzu kommt, dass sich die Verantwortlichen in der EU rechtzeitig vor den Wahlen in den USA überlegen sollten, welche geopolitischen Anforderungen demnächst von Washington an die Europäer gestellt werden könnten. Nach Lage der Dinge spricht vieles dafür, dass die nächste US-Präsidentin Hillary Clinton heißt. Es wäre keine Überraschung, wenn sie gegenüber Russland eine härtere Gangart an den Tag legen würde als der derzeitige Amtsinhaber Barack Obama. Und dann dürfte auf die Europäer auch mit neuer Dringlichkeit die Frage zukommen, welchen Beitrag sie im Syrien-Konflikt – jenseits des Militärischen – zu übernehmen bereit sind.

Mit Diplomatie hat Putin derzeit nichts am Hut

Sanktionsgegner erinnern zwar gerne daran, dass der Westen eine weitere Verschlechterung seiner Beziehungen zu Russland nicht riskieren dürfe, weil sonst diplomatische Erfolge zum Wohl der Weltgemeinschaft wie bei den Iran-Verhandlungen nicht mehr möglich seien. Die Realität sieht nur leider anders aus: Mit Diplomatie hat Putin derzeit nichts am Hut. Für sein zynisches Machtspiel in Syrien sollte er eine Quittung bekommen.

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