zum Hauptinhalt
Beobachter der Arabischen Liga (li.) treffen Oppositionelle in Homs.

© AFP

Syrien: Risse in Assads Regime

Ein ranghoher Überläufer macht den Militärgeheimdienst für die Gewalt verantwortlich. Gleichzeitig gibt Qatar „Fehler“ bei Beobachtermission zu.

Während die Arabische Liga „Fehler“ bei ihrer Beobachtermission in Syrien zugibt, zeigt das syrische Regime erste Auflösungserscheinungen. Der für das Verteidigungsministerium und das Büro des Ministerpräsidenten zuständige oberste Finanzkontrolleur, Mahmud al Hadsch Hamad, hat sich samt Familie nach Kairo abgesetzt und erklärt sich solidarisch mit den Regimegegnern. In Interviews, die arabische Sender am Donnerstag ausstrahlten, kritisierte der ehemalige hochrangige Regierungsbeamte das Regime von Präsident Baschar al Assad massiv: „Die Verantwortung für die Gewalt gegen Demonstranten liegt bei den Sicherheitskräften, und zwar konkret beim Militärgeheimdienst, bei der Direktion des Allgemeinen Geheimdienstes und beim Geheimdienst der Luftwaffe.“ Die Regierung hat nach Darstellung von Hadsch Hamad damit nichts zu tun. Die Mitglieder des Kabinetts seien „Gefangene, die ohne Begleitung der Sicherheitskräfte keinen Schritt mehr machen dürfen“. Viele Minister wollten sich vom Regime lossagen, harrten aber aus, weil sie Angst hätten, dass ihren Angehörigen etwas angetan werden könnte. Das Gleiche gelte für viele führende Offiziere. Der Finanzkontrolleur sagte, die sogenannten Schabiha-Milizen verübten einen großen Teil der Gräueltaten in Syrien. Sie würden aus dem Etat des Verteidigungsministeriums bezahlt. Wie sich Hadsch Hamad mit Familie absetzen konnte, wurde nicht gesagt. Unterdessen gestand der Regierungschef von Qatar, Scheich Hamad bin Jassem al Thani, ein, dass die von der Arabischen Liga entsandten Beobachter vom Regime in Damaskus an der Nase herum geführt werden. „Wir haben ohne Zweifel Fehler gemacht", sagte Thani zehn Tage nach Entsendung der ersten Beobachter und bat die Vereinten Nationen offiziell um Unterstützung. „Dies ist das erste Mal, dass wir als Arabische Liga Beobachter entsenden. Sie geben ihr Bestes, aber haben nicht genug Erfahrung“, erklärte Hamad nach Angaben der kuwaitischen Nachrichtenagentur Kuna in einem Gespräch mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in New York. Am Samstag will die Arabische Liga in Kairo über ihr weiteres Vorgehen beraten. Ein vorzeitiger Abbruch der auf vier Wochen begrenzten Mission scheint nicht mehr ausgeschlossen. Erst am 19. Dezember hatten sich Syriens Machthaber nach langem Zögern mit dem Friedensplan der Arabischen Liga einverstanden erklärt. Danach verpflichtet sich das Regime, seine Truppen aus Wohngebieten abzuziehen, sämtliche Regimegegner freizulassen und politische Gespräche mit der Opposition zu beginnen. Die syrische Opposition wirft den rund 100 arabischen Beobachtern vor, „unprofessionell“ zu agieren. So seien die Gesandten vor Ort stets von Agenten der Staatssicherheit eskortiert, spielten die Gewalt des Regimes herunter oder ließen sich von inszenierten, falschen Zeugenaussagen täuschen. Ein Aktivist aus Homs berichtete, kurz vor der Ankunft der Beobachter seien Dutzende Regimetreue mit Bussen in das Wohnviertel gebracht worden, die sich dann als Einheimische ausgaben. Vor dem Besuch des Zentralgefängnisses in Homs wurden Hunderte politische Gefangene in umliegenden Kasernen versteckt, darunter vor allem die schwer Gefolterten. Nach Angaben des „Lokalen Koordinierungskomitees“ (LCC), einer Dachorganisation der Opposition, sind seit Beginn der arabischen Mission am 26. Dezember weitere 390 Menschen gestorben. Nach wie vor operierten Scharfschützen und Greiftrupps in den Städten. Grüne Militärfahrzeuge würden wie Polizeifahrzeuge blau gespritzt, Soldaten in Polizeiuniformen gesteckt sowie Straßenschilder vertauscht, um die Orientierung zu erschweren. Am Donnerstag bezifferte die syrische Nachrichtenagentur Sana die Zahl der jüngst angeblich aus der Haft Entlassenen auf rund 550. Nach Schätzungen von Menschenrechtlern sind in Syrien seit Beginn der Unruhen im März 2011 mindestens 69000 verhaftet worden, von denen 37000 nach wie vor hinter Gitter sitzen. Die internationalen Sanktionen, aber auch die Anschläge auf Ölpipelines im Land, beginnen Wirkung zu zeigen. In vielen Städten gibt es nur noch wenige Stunden Strom am Tag. Geschäfte öffnen nur sporadisch. mit dpa

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false