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Politik: Syrien unterstützt den Sturm auf Israels Grenzen

Die Zeichen im Nahostkonflikt stehen auf Sturm. Ab September droht gar ein Orkan.

Die Zeichen im Nahostkonflikt stehen auf Sturm. Ab September droht gar ein Orkan. Was sich an der israelisch-syrischen Trennlinie innerhalb von drei Wochen zum zweiten Mal abspielte, könnte sehr wohl Alltag werden. Nicht nur auf den Golanhöhen und an der libanesisch-israelischen Grenze. Sondern vor allem im Westjordanland, entlang des Zauns, der Mauer, die dieses von Israel trennen soll, und rund um die israelischen Siedlungen auf besetztem palästinensischen Land. Nur noch direkte israelisch-palästinensische Verhandlungen über eine Zwei-Staaten-Lösung mit den kurzfristigen Etappenzielen Grenzziehung und Gründung eines palästinensischen Staates können weitere Blutbäder abwenden.

Ohne Syriens Zustimmung wäre der Sturm auf den Grenzzaun nicht möglich gewesen. Doch dem skrupellosen Diktator Baschar al Assad geht es nicht um Freiheit, Selbstbestimmungsrecht und Staatsgründung für die Palästinenser. Er ist bereit für seinen Machterhalt „auch den letzten Palästinenser auf den Golanhöhen sterben“ zu lassen. Nicht nur die hohen Geldversprechen an die Demonstranten und deren Hinterbliebene beweisen, dass Assad mit den blutigen Konfrontationen mit Israels Soldaten auf dem Golan vom mörderischen Schlachten seiner Truppen in den Städten seines Landes ablenken will. Die bisher als schwächlich angesehene libanesische Armee schoss am Nakba-Tag vor drei Wochen auf die palästinensischen Demonstranten in Grenznähe und verhinderte diesmal erneute Aufmärsche von vornherein. Im Gegensatz dazu halfen Assads Soldaten den palästinensischen und syrischen Protestierern bei ihrem teils fast selbstmörderisch zu nennenden Unterfangen.

Das staatliche syrische Fernsehen war am Sonntag auf dem „Hügel der Schreie“ gegenüber vom Majd al Schams den ganzen Tag live dabei. Aber die 31 getöteten Zivilisten wurden mit keinem Wort erwähnt, genauso wenig wie die mindestens 60 Menschen, die am Freitag in der syrischen Stadt Hama von der syrischen Armee getötet wurden. Bei Protesten am Sonntag sind nach Angaben von lokalen Menschenrechtsaktivisten aus Syrien mindestens weitere 40 Menschen getötet worden. Das Staatsfernsehen meldete am Montag auf den Tod von 40 Regierungsleuten.

Syriens Präsident Assad hat auf den Golanhöhen sein Ziel erreicht. Die ausländischen Medien übernahmen die unglaubhaften syrischen Opferbilanzen von Majd al Schams unbesehen, und ließen sich so von Assads Morden am eigenen Volk ablenken. Unerwähnt blieb auch, dass die Demonstranten mitverantwortlich sind für einen Großteil der Toten und Verletzten: Ihre Molotowcocktails setzten ausgetrocknete Felder in Brand und lösten so Minenexplosionen aus.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu kündigte an, offiziell Beschwerde gegen Syrien vor den Vereinten Nationen einzulegen. Lösungen für die dramatischen Ereignisse präsentierte er nicht. Er redet von der Unverletzlichkeit der Grenze auf dem Golan und der israelischen Souveränität, welche die Armee mit allen Mitteln zu garantieren habe. Dabei verschwieg Netanjahu, dass es sich keineswegs um eine international anerkannte Grenze handelt, sondern um eine Truppenentflechtungslinie. Auch erkennt kein einziger Staat irgendeine Art israelischer Souveränität über die Golanhöhen an. Denn die syrischen Gebiete wurden im Sechstagekrieg 1967 von Israel erobert und besetzt.

Doch letztlich sind die Golanhöhen nicht mehr als ein Punkt auf der Tagesordnung zukünftiger israelisch-syrischer Verhandlungen – wenn auch der wichtigste. Kern des israelisch-arabischen Nahostkonfliktes ist die Palästinenserfrage. Würden sich Netanjahu und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas wieder an den Verhandlungstisch setzen, dann gäbe es nicht nur Ruhe auf den Golanhöhen. Auch der von Israels Regierung befürchtete „politische Tsunami“ im September in den UN würde abgewendet – mit der weltweiten Anerkennung Palästinas als Staat „in den Grenzen von 1967“. Doch bisher zeigte Netanjahu keine ernsthafte Gesprächsbereitschaft. mit AFP/dpa

Charles C. Landsmann[Tel Aviv]

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