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Iftar-Gast: Die Abdallahs (Vordergrund) und Minister Steinmeier

© dpa

Syrische Flüchtlinge: Fastenbrechen mit Minister

Im Fastenmonat Ramadan rückt man enger zusammen. Vielen Flüchtlingen aus Syrien fehlen gerade jetzt Freunde und Verwandte. Außenminister Steinmeier war jetzt zum Fastenbrechen bei einer dieser Familien zu Gast.

Datteln und Wasser – sie sind traditionell das erste, was gläubige Muslime im Monat Ramadan zum täglichen Iftar, der Mahlzeit nach einem Tag Fasten, zu sich nehmen. Die Datteln, die dem Minister gereicht werden, kommen aus Syrien. Neda Abdallah hat sie eingepackt, als sie aus Damaskus nach Deutschland kam, in einem ihrer vier Koffer. „Wie bekommt man 45 Jahre Leben in vier Koffer?“, sagt sie, das habe sie damals eine Freundin gefragt. Und die habe geraten: „Nimm die Erinnerungen mit. Und sie hatte Recht.“

Sie ist Restauratorin - ihr Land liegt in Trümmenr

Neda Abdallah und ihrem Mann Jussuf gegenüber sitzt Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Sein Vorgänger Guido Westerwelle gab vor beinahe genau einem Jahr zum ersten Mal einen Iftar-Empfang, die Gäste waren arabische Diplomaten, Wissenschaftlerinnen und Vertreter der deutschen Muslime, man blickte auf die fürstliche Kulisse der Villa Borsig. Jetzt ist Steinmeier selbst Gast, in einer engen Charlottenburger Wohnung, am improvisierten Tisch vor Reis mit Bohnen, Huhn aus dem Ofen, Dattelsaft und hausgemachter Limonade. Und fragt. Neda Abdallah ist archäologische Restauratorin, ihr fließendes Deutsch verdankt sie ihrem Studium in Deutschland in den 90er Jahren. Für eine wie sie ist die syrische Heimat im Augenblick ein doppelter Alptraum: Die Zeugnisse der Tausenden von Jahre Geschichte ihres Landes zertrümmert der Bürgerkrieg gerade, was bleibt, wird ins Ausland geschafft und finanziert den Waffennachschub der Kriegsparteien. Steinmeier berichtet von einer deutschen Initiative, Syriens Schätze zu katalogisieren. „Wir hofften, trotz der instabilen Lage würden wir das noch schaffen.“ Doch der Krieg war schneller; die Fachleute des Deutschen Archäologischen Instituts, das dem Auswärtigen Amt untersteht, mussten ihre Arbeit einstellen.

24 Stunden am Tag unter Feuer 

Neda Abdallah konnte ein paar Monate im Museum für Islamische Kunst in Berlin arbeiten, demnächst wird das Projekt fortgesetzt. Ihre Tage sind auch so bis zum Rand gefüllt: Behördengänge, die Einschulung ihrer 12-jährigen Tochter und des 15-jährigen Sohns und die Hilfe für andere Flüchtlinge in einer für Neda vertrauten, ihnen aber fremden Umgebung. Dazwischen hilft sie ihrem Mann: In Damaskus gehörte ihm eine Firma, die Gartenmöbel herstellte. Jetzt produziert er in einer Berliner Werkstatt auf 15 Quadratmetern Kleiderbügel – wie einst sein Vater.

Man könnte sagen, die Abdallahs hatten Glück: Sie kamen als Kontingentsflüchtlinge, vier von zehntausend Syrern, die Deutschland regulär aufzunehmen bereit war. Da hat ihnen monatelange Asylverfahren erspart, sie haben eine eigene Wohnung, die Kinder haben es von praktisch sofort ins Gymnasium geschafft und über die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Berliner – auch in den Behörden - berichtet Neda Abdallah fast mit Rührung. Hinter den Abdallahs liegen Monate, in denen sie sich verrückt nannten, weil sie die Kinder noch zur Schule schickten, weil sie nicht wussten, ob sie zurückkommen würden, in denen ihr Haus 24 Stunden am Tag vom Geschützdonner zitterte und die eigenen Kinder Zeugen wurden, wie Menschen an den zahllosen Checkpoints in Damaskus willkürlich auf Pickups verladen wurden. Hier in Berlin nun sind sie vor allem Flüchtlinge. „Dass wir ein früheres Leben hatten, zählt nicht.“

Geld vom Staat - "das macht mich fertig"

Der Freund der Familie, der am Iftar-Tisch neben Steinmeier Platz genommen hat, erzählt von seiner Flucht. Er kam mit seiner Frau und zwei Kleinkindern über Frankreich und könnte nun nach dort zurück zu müssen. Soll man weiter deutsch lernen oder mit französisch anfangen? Und am schlimmsten, sagt er, der in Syrien als Telekom-Ingenieur gearbeitet hat, sei die Sorge um Arbeit: „Was wird aus meinen Fähigkeiten? In Syrien hatten wir keine Freiheit und wenig Möglichkeiten, aber wir haben immer wieder dagegen angekämpft. Hier bekomme ich Geld vom Staat und darf nicht arbeiten. Das macht mich richtig fertig.“

Es ist nicht mehr lange bis Mitternacht, als der deutsche Außenminister sich verabschiedet – mit einem formvollendeten Dank auf arabisch. Er muss am nächsten Morgen in aller Frühe nach Brüssel, die EU-Kolleginnen und Kollegen beraten dort über den Krieg in der Ukraine. Die Welt brennt an vielen Enden.

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