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Politik: System Athen

Prozess gegen Ex-Minister in Griechenland.

Athen - Wer so lange so viel Macht genossen hat, kann sich offenbar nicht leicht zurücknehmen. Und so begrüßt Akis Tsochatzopoulos, als er in den Gerichtssaal geführt wird, erst einmal jovial per Handschlag seine Mitangeklagten – gerade so, als sei er an diesem Montagmorgen Gastgeber im Verhandlungssaal des Oberlandesgerichts Athen und nicht der Hauptangeklagte. 30 Jahre lang stand er als siebenfacher Minister und Vizepremier auf der politischen Bühne Griechenlands. In seiner Zeit als Verteidigungsminister soll er für Rüstungsaufträge Schmiergelder von rund 160 Millionen Euro kassiert haben, auch von deutschen Firmen.

Aber Tsochatzopoulos sträubt sich gegen die Rolle des Beschuldigten. Er tritt als Ankläger auf: Nichts sei dran an den Vorwürfen, erklärt er seit Monaten. Er sieht sich als Opfer eines politischen Komplotts, als Sündenbock, der geopfert werden soll, damit andere ungeschoren davonkommen. Kampfeslust blitzt hinter den runden Brillengläsern auf, doch die einjährige Untersuchungshaft im Hochsicherheitsgefängnis Korydallos bei Piräus hat auch Spuren in den eingefallenen Gesichtszügen des 73-Jährigen hinterlassen. Insgeheim wird er wissen: Dieser Prozess kann kein gutes Ende für ihn nehmen, auch wenn der Vorwurf der passiven Bestechung verjährt ist, dank eines Gesetzes, mit dem sich griechische Politiker gegen Strafverfolgung schützen. Minister können danach für Straftaten, die sie während ihrer Amtszeit begangen haben, später kaum belangt werden. Und so geht es in diesem Prozess „nur“ um Geldwäsche, die Tsochatzopoulos auch nach seinem Ausscheiden aus dem Kabinett 2004 betrieben haben soll.

Gegen 18 weitere Angeklagte wird unter Vorsitz des Kammerpräsidenten Christos Katsianis verhandelt. Sie sollen Tsochatzopoulos geholfen haben, die Schmiergelder über Briefkastenfirmen in Immobilien zu investieren. Mitangeklagt sind seine frühere deutsche Gattin Gudrun, seine Tochter und die heutige Ehefrau Vicky Stamati, die er 2004 in einem rauschenden Fest in einem Pariser Luxushotel heiratete, um später mit ihr eine Luxuswohnung gegenüber der Athener Akropolis zu beziehen. Viele Griechen sehen in dem einst zweitmächtigsten Mann des Landes den Repräsentanten einer durch und durch korrupten politischen Klasse, die den Staat ausgeplündert und das Land an den Abgrund des finanziellen und politischen Bankrotts geführt hat. Tsochatzopoulos drohen bei einem Schuldspruch bis zu 20 Jahre Haft. Seine frühere Partei, die Panhellenische Sozialistische Bewegung, ist nicht zuletzt wegen der Tsochatzopoulos-Affäre von 44 Prozent bei der Wahl 2009 in Umfragen inzwischen auf acht Prozent abgestürzt. Gerd Höhler

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