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Tagesspiegel-Konferenz "Impulse 21": Sicherheitspolitik ist Innenpolitik

Taliban bekämpfen, Wiederaufbau ermöglichen, im Katastrophenschutz Hilfe leisten und Werte vermitteln. Die Bundeswehr erhält immer neue Aufgaben. Auf der Berliner Sicherheitskonferenz "Impulse 21" warnte Bundespräsident Horst Köhler daher davor, die Truppe zu überfordern.

Der Umbruch, in dem sich die Bundeswehr befindet, ist offensichtlich. Aus einer reinen Verteidigungsarmee ist eine weltweite Krisentruppe geworden, die (nach Zustimmung des Parlaments) überall dort eingesetzt wird, wo es brennt. Peter Struck fasste die veränderten Anforderungen an die Bundeswehr 2003 in dem Satz "Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt" zusammen. Mittlerweile ist die Bundeswehr mit 7100 Soldaten an zwölf internationalen Einsätzen beteiligt, in Kürze könnten die Einsätze im Kongo und vor der Küste Somalias hinzukommen.

Am Donnerstag trafen sich Politiker und Vertreter der Bundeswehr, um bei der Sicherheitskonferenz "Impulse 21", die der Tagesspiegel gemeinsam mit dem Bundesverteidigungsministerium veranstaltete, über die Herausforderungen der Bundeswehr zu sprechen. Die Konferenz wurde überschattet von den Anschlägen in der indischen Finanzmetropole Bombay, bei denen mehr als hundert Menschen starben und mindestens 280 verletzt wurden. "Gerade an einem Tag wie heute, wo wir die barbarischen Anschläge in Bombay zur Kenntnis nehmen müssen, wird deutlich, wie wichtig es ist, dass wir unsere Aufgaben wahrnehmen", erklärte daher auch Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Jung anlässlich der Eröffnung der Konferenz, an der neben dem Verteidigungsminister einige hundert Vertreter der Truppe sowie Politiker teilnahmen.

Köhler: "Gute Ziele nicht mit unzureichenden Mitteln verfolgen"

Doch was sind die Aufgaben der Bundeswehr, der Truppen allgemein? Das Schlagwort der "Vernetzten Sicherheit" machte die Runde. Auch die Diskutanten der Konferenz waren sich einig: Kriege werden nicht mehr nur militärisch gewonnen: Es geht um Energieversorgung, um Wirtschaft, um atomare Nichtverbreitung – und auch die Vermittlung von Werten. "Ohne Sicherheit keine Entwicklung und ohne Entwicklung keine Sicherheit", erklärte Minister Jung entsprechend.

Bundespräsident Horst Köhler forderte die Vertreter von Politik und Bundeswehr ausdrücklich auf, sich den aktuellen Fragen zu stellen: "Ich glaube nicht, dass wir Frieden und Sicherheit in der multipolaren Welt über mehr Rüstung erreichen. Die so genannten 'neuen Kriege’ unterscheiden sich von allem, wofür unsere Armeen aufgebaut wurden." Er forderte, die eigenen Interessen zu definieren, dafür zu werben und sie auch umzusetzen. "Es sollte nicht passieren, dass wir gute Ziele mit unzureichenden Mitteln verfolgen."

Robbe warnt vor möglicher Überforderung der Truppe

Im Hinblick auf ihren Umgang mit der Truppe übte Köhler Kritik an der Politik. Er mahnte, die Soldaten nicht zu überfordern: Er erklärte, Deutschland dürfe seine Soldaten nicht in einen Einsatz schicken, für den es "ein falsches, weil zu hochgestecktes Ziel gibt". Mit ihren Auslandseinsätzen ist die Bundeswehr so gut wie ausgelastet. Jetzt schon klagen Soldaten über die schlechte Ausrüstung der Truppe vor Ort und die dünne Personaldecke. Gerne weisen Politiker darauf hin, dass die Kapazitäten der Bundeswehr erschöpft sind, wenn es um Einsätze in Afghanistan oder den Kongo geht.

Auch der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, Reinhold Robbe, warnte im Gespräch mit tagesspiegel.de vor einer möglichen Überforderung der Truppe. "Bevor neue Anforderungen auf die Bundeswehr zukommen, muss natürlich geprüft werden, ob die Truppe dazu in der Lage ist. Und damit meine ich nicht die Fähigkeiten der im Einsatz befindlichen Frauen und Männer. Die Soldaten sind trotz teilweise mangelnder Ausrüstung in der Vergangenheit immer zurecht gekommen, weil sie unglaublich belastbar sind. Aber diese Leidensfähigkeit darf nicht überstrapaziert werden, indem man sagt 'bislang ist ja alles gut gegangen, das wird auch in Zukunft so weiter gehen'."

Vernetzung von Zivil und Militär, von Innerem und Äußerem

Der Paradigmenwechsel hat auch Auswirkungen auf die nationale Sicherheit: Die Union und allen voran Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble wollen den Einsatz der Bundeswehr auch im Innern ermöglichen. Dafür soll der Artikel 35 des Grundgesetzes entsprechend ergänzt werden. Doch die SPD stellt sich quer. Ausschließlich bei unmittelbar bevorstehenden Terrorangriffen von Luft und See soll die Bundeswehr eingreifen können – und zwar nur, wenn sichergestellt sei, dass keine Unschuldigen an Bord seien.

Der Wehrbeauftragte Robbe sieht die Debatte gelassen. "Ich rate zunächst einmal zu einem gründlichen Blick in das Grundgesetz. Dort sind die Aufgaben klar aufgeteilt: Für die äußere Sicherheit ist die Bundeswehr zuständig, für die innere die Polizei. Die Bundeswehr kann Amtshilfe leisten. Wer mehr will, muss das Grundgesetz ändern. Dafür ist keine notwendige breite Parlamentsmehrheit zu erkennen.“

Eine Tatsache, die Vertreter der Union immer wieder kritisieren: "Ich bedauere sehr, dass wir die Einigung, die wir getroffen haben, nicht umsetzen können", erklärte daher auch Minister Jung. "Wir können heute nicht mehr abstrakt trennen zwischen innerer und äußerer Sicherheit angesichts des internationalen Terrorismus", so Jung weiter.

Innenpolitik ist Sicherheitspolitik geworden

"Innere Sicherheit wird heutzutage immer weniger mit inneren Mitteln gewährleistet. Die Bedrohungen kommen von außerhalb und sind mit herkömmlichen polizeilichen Mitteln nur unzureichend zu beantworten“, sagte auch der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Peter Altmaier. "Die Polizei hat die Befugnisse, aber nicht die Mittel, um den internationalen Terrorismus zu bekämpfen und die Bundeswehr hat sie Mittel, aber nicht die Befugnisse", so Altmaier weiter.

Sieben Jahre nach dem 11. September 2001 ist Prävention das Schlagwort, das den Krieg in Afghanistan ebenso rechtfertigt wie das Verbot von Flüssigkeiten im Handgepäck und womöglich auch die Online-Durchsuchungen. Sicherheitspolitik ist Innenpolitik geworden. Die für eine Verfassungsänderung nötige Mehrheit im Parlament für weitere Befugnisse der Bundeswehr im Innern ist derzeit jedoch nicht gegeben.

Nicole Scharfschwerdt

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