zum Hauptinhalt
Geeint in der Freude über den Umsturz. Asmaa Ramdan und Zanab Ebrahim sind Freundinnen, trotz unterschiedlicher Ansichten über die Rolle der Frau, Familie und Religion. Doch beide hoffen, dass der herrschende Militärrat seine Macht abgeben wird.

© Katharina Eglau

Tahrir-Platz in Kairo: Ägypten: Die Revolution feiert sich

Zehntausende strömen am Jahrestag auf den Tahrir-Platz in Kairo – mit unterschiedlichen Erwartungen. Am späten Abend soll es zu Übergriffen gekommen sein.

Endlich meint es die Sonne wieder gut mit Ägypten. Wochenlang verhangener Himmel, Nächte nahe dem Gefrierpunkt, am Jahrestag der Revolution jedoch präsentierte sich der Himmel über Kairo erstmals seit langem wieder in strahlendem Blau. Und der himmlische Glanz färbte zunächst ab auf die Gemüter. Fröhlich und entspannt strömten den Tag über Zehntausende auf den Tahrir-Platz, um den Sieg vor genau einem Jahr über ihren Ewig-Pharao Mubarak und dessen Regime zu feiern. Am späten Abend aber kippt die Stimmung. Aktivisten berichten von Übergriffen auf Frauen im Gedränge. Es gibt Verletzte.

Am Vormittag ist davon noch nicht zu spüren als Gamal Abdelhamid von Autogrammjägern umlagert wird. Der 53-Jährige ist als langjähriger Trainer des Fußball-Lokalmatadors Zamalek eine Berühmtheit in der Stadt. „Das ist der glücklichste Tag meines Lebens“, sagt er. „Wir haben uns die Freiheit erkämpft, und wir werden sie nicht mehr hergeben.“ Endlich könne er ohne Angst sagen, was er wolle – und schüttelt weiter kräftig die Hände seiner Fans.

Wie er, so denken viele auf dem Tahrir- Platz und zählen die Erfolge auf: Mubarak vor Gericht, saubere Wahlen zum ersten demokratischen Parlament und nun bald einen neuen Präsidenten. Fliegende Händler kurven mit ihren Karren durch die beschwingte Menge, beladen mit Erdnüssen, Cola, Tee und Datteln. Aus den Öfen für Süßkartoffeln ziehen dicke Rauchschwaden durch das Meer von Fahnen. Zanab Ebrahim und Asmaa Ramdan verschnaufen ein wenig an einem Teestand – die eine mit unverhülltem Gesicht und Wollmütze, die andere verschleiert bis auf einen Augenschlitz, die Hände mit Wollhandschuhen bedeckt. Asmaa hat die Muslimbrüder gewählt, ihre beste Freundin Zanab das „Bündnis für Ägypten“, das als stärkste Fraktion des liberalen Lagers gerade mal 30 der 498 Mandate erringen konnte. „Wir unterscheiden uns in vielen Ansichten – Frauenrechte, Familie, Religion“, sagen beide. Nur in einem seien sie sich absolut einig: Das Militär muss bis Ende Juni abtreten und die Macht übergeben.

Anderen jedoch reicht das nicht. Shawky al Shahet hat die Salafisten gewählt. „Wir wollen keinen mittelalterlichen Islam“, versichert der Bartträger. „Aber wir wollen eine Ende der Korruption und des Libertinismus“ – und damit haben er und seine frommen Genossen vor allem die Millionen Touristen im Blick: Bikinis am Strand oder Alkohol in den Hotels, damit müsse Schluss sein in dem neuen Ägypten.

Unzufrieden sind aber auch die Facebook-Aktivisten. Sie fühlen sich heute von ihrem Tahrir-Platz verdrängt, auf dem sie vor einem Jahr das unbesiegbar erscheinende Regime Mubaraks herausforderten. Stattdessen zogen sie durch Nebenstraßen rund um den revolutionären Kreisverkehr und skandierten „Nieder mit der Militärherrschaft, das Blut der Märtyrer darf nicht umsonst vergossen sein“.

Für diese jungen Revolutionäre ist die Herrschaft der Armee nichts anderes als das Mubarak-System in neuem Gewand. Die erzwungenen „Jungfrauentests“ an Demonstrantinnen, die 12 000 Prozesse vor Militärgerichten und schließlich im vergangenen Herbst die Übergriffe gegen junge Protestierer mit mehr als 100 Toten haben ihnen die Augen geöffnet. „Trotzdem dürfen wir nicht zu emotional und ungeduldig werden“, sagt Blogger Karim Fahim. „Wir haben noch einen langen Weg vor uns.“

Am späten Abend berichten Aktivisten dieser Gruppe über den Kurznachrichtendienst Twitter über sexuelle Übergriffe auf mehrere Frauen im Gedränge der Demonstrationen am Tahir-Platz und vor dem Gebäude des Staatsrundfunks. Eine Ausländerin sei entkleidet und fast vergewaltigt worden, hieß es. Die Frau sei schließlich von einem Krankenwagen weggebracht worden. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es nicht.(mit dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false