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Politik: Taliban greifen mitten in Kabul an

Mindestens 18 Tote bei Selbstmordanschlag / Auch Nato-Soldaten unter den Opfern

Knapp zwei Monate herrschte trügerische Ruhe, nun haben die Taliban wieder mitten in Afghanistans Hauptstadt Kabul zugeschlagen. Ein Selbstmordattentäter sprengte am Dienstagmorgen seinen mit Sprengstoff gefüllten Wagen in der Nähe eines Konvois der Nato in die Luft. Mindestens zwölf Zivilisten und sechs Nato-Soldaten, darunter fünf Amerikaner, kamen dabei ums Leben. Die Nationalität des sechsten Soldaten blieb zunächst unklar. 47 Menschen wurden laut offiziellen Angaben verletzt.

Der Anschlag ereignete sich im morgendlichen Berufsverkehr auf der vollen Darulaman-Road nahe der von den USA finanzierten „Militärakademie zur Aufstandsbekämpfung“ im Camp Julien, das US- und afghanische Soldaten beherbergt. In dem betroffenen Stadtteil befinden sich auch das afghanische Parlament, das Energieministerium, das Nationalmuseum, eine US-Universität und ein Krankenhaus unter westlicher Leitung. Die Taliban reklamierten die Bluttat für sich. Ziel des Anschlags seien die „Besatzer der Nato“ gewesen, erklärte Taliban-Sprecher Sabihullah Mujahid.

In der nordafghanischen Provinz Kundus ereignete sich am Dienstag ebenfalls ein Zwischenfall. Dort gerieten Bundeswehrsoldaten unter Beschuss. Die Angreifer hätten Handwaffen und vermutlich Panzerabwehrwaffen eingesetzt, teilte das Einsatzführungskommando in Potsdam mit. Deutsche Soldaten seien nicht verletzt worden.

Der Anschlag in Kabul soll möglicherweise ein Zeichen der Stärke und Entschlossenheit der Taliban vor der bereits angekündigten Nato-Offensive in der südlichen Provinz Kandahar sein. Kandahar ist ein wichtiges Zentrum der Taliban, die Schlacht gilt daher als entscheidend im Kampf gegen die Aufständischen und als Prüfstein für die neue Strategie der USA am Hindukusch. Umgekehrt hatten auch die Taliban eine Frühlingsoffensive angedroht. Als Ziele hatten sie Regierungsmitarbeiter und ausländische Truppen und Diplomaten genannt.

Das Attentat gefährdet außerdem den Erfolg der für den 29. Mai in Kabul geplanten nationalen Friedenskonferenz. Dort will Präsident Hamid Karsai seinen Plan für einen Versöhnungsprozess und die Reintegration von Teilen der Aufständischen vorstellen. Karsai nannte den Anschlag, bei dem auch einen Bus voller Zivilisten getroffen wurde, „herzzerreißend“. „Ich hoffe, dass dieses Leiden in Afghanistan bald enden wird“, sagte Karsai, der erst kürzlich von einer Washington-Reise zurückgekehrt war. TalibanSprecher Mujahid erklärte, der Wagen des Attentäters sei mit 750 Kilogramm Sprengstoff beladen gewesen. „Überall lagen Körperteile herum“, berichtete der Rettungsfahrer Yusef Tahini. „Menschen riefen ’Hilf mir, hilf mir’”. Zwei US-Hubschrauber bargen tote und verwundete Soldaten. US-Soldaten riegelten das Gebiet ab.

Der Anschlag war die blutigste Attacke in Kabul seit dem 26. Februar, als Militante bei Anschlägen auf Hotels 16 Menschen töteten. Die meisten Opfer damals waren Inder. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen verurteilte den neuerlichen Anschlag „auf das Schärfste“. Die Nato sei weiter „entschlossen, ihre Mission zu erfüllen, die im Schutz der afghanischen Bevölkerung und in der Stärkung der Fähigkeit Afghanistans zur Verteidigung gegen den Terrorismus besteht“, erklärte er in Brüssel. Die Nato will ihre Truppen in diesem Jahr auf 150 000 Soldaten aufstocken. 2010 starben bisher 202 Nato-Soldaten, im vergangenen Jahr waren es insgesamt 520 Soldaten.

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