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Der neue Mann. Mit dem Versprechen, die gesellschaftlichen Kontrollen abzumildern und im Atomstreit durch ein Einlenken die Lockerung der wirtschaftlich verheerenden Sanktionen zu erreichen, gewann Hassan Ruhani bereits in der ersten Wahlrunde. Foto: AFP

© AFP

Politik: Taube aus Teheran

Irans neuer Präsident Ruhani weckt mit einer Charmeoffensive Hoffnung auf Bewegung auch im Atomstreit.

Berlin - Der Kontrast könnte kaum größer sein. Wenn am kommenden Dienstag Irans Präsident Hassan Ruhani vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York sprechen wird, gilt das schon jetzt als einer der spannendsten Termine des alljährlichen Treffens. Das Weiße Haus schließt nicht aus, dass es dabei zu einer Begegnung mit Präsident Barack Obama kommt, der ebenfalls am Dienstag vor die UN tritt. Ganz anders in den vergangenen Jahren: Schritt Ruhanis Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad ans Rednerpult, machten sich die Delegationen der USA und Israels auf den Weg nach draußen angesichts zu erwartender Schmähungen.

Ruhani bereitet nun seine Reise mit einer selbstbewussten Charmeoffensive vor. Im US-Sender NBC lobte er den Ton eines Briefes von Barack Obama. In einem Gastbeitrag für die „Washington Post“ bietet er nun an, im Syrienkonflikt zu vermitteln. Die Iraner hätten ihn auch für sein Versprechen gewählt, in „konstruktive Interaktion mit der Welt zu treten“. Die internationale Politik, so der Theologe und in Glasgow promovierte Politikwissenschaftler, sei „nicht länger ein Nullsummenspiel“. In einer solchen Welt sei es „kontraintuitiv, die eigenen Interessen zu verfolgen, ohne dabei die Interessen von anderen zu bedenken“.

Tatsächlich zeichnen sich seit Ruhanis Amtsantritt Veränderungen nicht nur in Irans Innenpolitik ab, wie zuletzt durch die Freilassung politischer Gefangener. Auch in der Außenpolitik könnte jetzt Bewegung in zwei der schwierigsten internationalen Themen kommen: den Syrienkonflikt und die Verhandlungen über Irans Atomprogramm.

Teheran gilt neben Moskau als wichtigste Stütze des Assad-Regimes. Die von der iranischen Revolutionsgarde unterstützte Hisbollah kämpft an der Seite der syrischen Truppen, iranische Spezialeinheiten sind offenbar selbst im Bürgerkrieg vor Ort, ein hochrangiger Kommandeur erklärte vor einigen Wochen, man werde das Assad-Regime „bis zum Ende unterstützen“. Ruhani hat nun die Revolutionsgarden aufgefordert, sich aus der Politik herauszuhalten. Der frühere Präsident Haschemi Rafsandschani, nach wie vor Teil des iranischen Establishments, ging noch weiter und machte das syrische Regime für den Giftgaseinsatz im Bürgerkrieg verantwortlich. Zwar ist dennoch fraglich, ob Assads Gegner Iran jetzt als Vermittler akzeptieren würden, sagt Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, die Bundestag und Bundesregierung außen- und sicherheitspolitisch berät. In jedem Fall aber bemühe man sich in Teheran inzwischen auch um Kontakte zu syrischen Oppositionellen.

Was den Streit um Irans Atomprogramm betrifft, hat Ruhani selbst betont, ist er – anders als sein Vorgänger, der Falke Ahmadinedschad – „vollständig ermächtigt und befugt“, eine Lösung auszuhandeln. Offenbar hat er hier das volle Vertrauen des religiösen Führers im Iran, Ali Chamenei, der auch die höchste politische Instanz des Landes ist. Auch hier wird mit Spannung erwartet, was die kommenden Tage in New York bringen werden; am Sonntag wird ein Treffen zwischen der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton und Irans neuem Außenminister Mohammed Zarif erwartet. Wenn am Donnerstag die Außenminister der fünf ständigen Mitglieder im Sicherheitsrat (USA, Russland, Frankreich, China, Großbritannien) und Deutschlands zusammenkommen, wird Zarif vermutlich dazustoßen.

Seit Jahren verhandeln die sogenannten 3+3-Mächte mit Iran über eine Lösung im Atomstreit. Iran wird verdächtigt, unter dem Deckmantel eines zivilen Atomprogramms die Entwicklung von Atomwaffen voranzutreiben. Teheran dagegen pocht auf sein Recht auf die friedliche Nutzung der Kernenergie.

Letzteres hat Präsident Ruhani in der „Washington Post“ betont: Den atomaren Kreislauf zu beherrschen, entspreche auch der Selbstwahrnehmung des iranischen Volkes und „dessen Anspruch auf Würde und Respekt“ in der Welt. Allerdings hat er selbst schon vor Jahren betont, dass mehr Transparenz und Kontrollen das Vertrauen in Irans Atomprogramm stärken könnten. Dazu kommt, dass die internationalen Sanktionen die iranische Wirtschaft massiv treffen, die Inflation liegt bei 45 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit ist immens.

Der Pragmatiker Ruhani, vermutet Perthes, will das politische System erhalten sowie sein Land weiterentwickeln. Das geht aber nur, wenn die Wirtschaft wieder funktioniert, und dafür müssen die Sanktionen aufgehoben werden. Da der oberste religiöse Führer Chamenei Ruhani offenbar vertraut und dieser gleichzeitig den Rückhalt in der Bevölkerung genießt, könnte er tatsächlich in der Lage sein, Iran aus der Isolation herauszuholen. Allerdings, um Regierungssprecher Steffen Seibert zu zitieren, müssen den Worten auch Taten folgen.

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