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Politik: Tausende demonstrieren gegen Bush

Größter Irak-Protest in Washington seit 2003 / Organisatoren knüpfen an Anti-Vietnamkrieg-Bewegung an

Zum zweiten Mal seit der Irakinvasion 2003 haben Kriegsgegner mit ihren Protesten breite Aufmerksamkeit in den USA gefunden. Zehntausende beteiligten sich am Samstag an einer Friedensdemonstration in Washington, darunter Hollywoodstars wie Jane Fonda, die 34 Jahre nach ihrer Vietnamdemonstration mit ihren Enkeln gekommen war, und Politiker wie der schwarze Prediger Jesse Jackson. Tausende waren aus dem ganzen Land angereist. Viele wollen noch einige Tage bleiben, um Druck auf ihre Abgeordneten auszuüben, wenn der Kongress über Resolutionen gegen Präsident Bushs Truppenverstärkung berät.

Es war der größte öffentliche Protest in der Hauptstadt seit Kriegsbeginn vor vier Jahren. Die US-Medien berichteten ausführlich, die „Washington Post“ sogar in ihrer Titelgeschichte am Sonntag. So viel Resonanz hatten die Kriegsgegner zuletzt im Sommer 2005 gefunden, als die „Peace Mom“ Cindy Sheehan wochenlang vor Bushs Ranch in Texas campierte; ihr Sohn war in Irak gefallen. Aus ihrem Protest entwickelten sich koordinierte lokale „vigils“, Friedenswachen, über das ganze Land. Doch nach wenigen Wochen erlahmte dieser Protest.

Mit dem Versuch einer zentralen Großdemonstration knüpfen die Organisatoren an die Massenproteste gegen den Vietnamkrieg in den 60er und 70er Jahren an. Die Menschen füllten mit Bannern und Protestgesängen an einem sonnigen, warmen Januarsonntag die National Mall zwischen Lincoln Memorial und Capitol. Das Lincoln Memorial war Schauplatz der berühmtesten Vietnamkundgebungen. Später marschierten sie zum mächtigen Parlamentsgebäude. Die Organisatoren behaupteten, sie hätten ihr Ziel erreicht, 100 000 Menschen zusammenzubringen. Die Polizei machte offiziell keine Angaben, die Medien berichteten unter Berufung auf eigene Beobachtungen und inoffizielle Polizeiauskünfte, die Menge sei „deutlich kleiner“ gewesen. Ein Sprecher der Organisatoren erläuterte, die Proteste richteten sich weniger als früher gegen Bush und mehr an den Kongress, weil der Präsident sowieso nicht auf die Bürger höre.

Den Parolen war das nicht unbedingt zu entnehmen. „Bringt unsere Truppen nach Hause“ stand auf vielen Plakaten und „Surge peace!“ Diese zweite Losung nimmt Bushs Begriff „surge“ (Welle, Anstieg) für die Verstärkung auf. Die Demokraten versuchen dagegen, im Rückgriff auf Vietnam, die Bezeichnung „Eskalation“ durchzusetzen.

Die Proteste kommen zu einem wichtigen Zeitpunkt. Erstmals seit 1994 haben die Demokraten die Kongressmehrheit. Bushs Ansehen ist mit nur 30 Prozent Zustimmung auf einem Tiefstand. 58 Prozent der Befragten wünschen ein sofortiges Ende seiner Amtszeit. Der Kongress hat nur ein zwingendes Mittel, den Irakeinsatz zu beenden: indem er die weitere Finanzierung verweigert. Das fordern die Demonstranten. Die Demokraten lehnen es ab. Sie wollen die Verstärkung nur verbal kritisieren, sie fürchten den Vorwurf, sie ließen die Truppen im Stich.

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