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Politik: Technik ist keine Schöpfung

Von Bas Kast Es war knapp. Das Europäische Patentamt hatte einem gentechnischen Verfahren zugestimmt, das in letzter Konsequenz bedeutet hätte: Der Mensch, wie er geht und steht, ist nicht mehr der eigentliche Mensch.

Von Bas Kast

Es war knapp. Das Europäische Patentamt hatte einem gentechnischen Verfahren zugestimmt, das in letzter Konsequenz bedeutet hätte: Der Mensch, wie er geht und steht, ist nicht mehr der eigentliche Mensch. Er ist verändert, manipuliert, gezüchtet. Das bleibt uns erspart – das Patentamt hat seine falsche Entscheidung von 1999 aufgehoben.

Die Rede ist von einem Verfahren, das die Herstellung und Manipulation embryonaler Stammzellen ermöglicht. Entwickelt wurde es von Forschern der Universität Edinburgh. Dem Patent von 1999 für die schottische Universität folgte der Protest auf dem Fuß. 14 Parteien, darunter Greenpeace, die Regierungen Deutschlands, Hollands, Italiens und die Deutsche Forschungsgemeinschaft erhoben Einspruch. Für Greenpeace war das Patent so viel wie ein Freibrief auf Menschenzüchtung. Für die Forscher handelte es sich um eine Technik, die dazu gedacht war, Menschen zu heilen. Zwischen Horror und Hoffnung – wie entscheidet man sich da?

Wo die Not groß ist, wächst manchmal das Rettende auch. Denn, wie sich nun herausgestellt hat: Das Verfahren funktioniert gar nicht. Mit der Technik lassen sich keine embryonalen Stammzellen gewinnen, sondern nur „adulte“ – und darauf ist das Patent jetzt beschränkt. Doch das schränkt die Zukunft nicht ein. Denn irgendwann, so viel ist sicher, wird ein solches Verfahren funktionieren. Irgendwann wird wieder ein Patentantrag auf dem Tisch der Münchner Juristen liegen – und spätestens dann stellt sich nicht nur die Frage, ob das Ganze funktioniert, sondern: ob wir es wollen.

Was also heißt es, wenn jemand ein Patent darauf hat, embryonale Stammzellen herzustellen und zu manipulieren? Heißt das, er hat ein Recht darauf, den gentechnisch optimierten Menschen zu schaffen? Zunächst bedeutet ein Patent gerade umgekehrt: ein Verbot. Keiner außer dem Inhaber, so die Regel, darf diese Technik anwenden – es sei denn, er zahlt dafür. Darin liegt der Anreiz für Forscher. Sie erfinden eine Technik, die Industrie zahlt, und mit dem Geld können sie neue Techniken erfinden. Der Fortschritt, die Technik, die Medizin, sie hängen unmittelbar von diesem Patentgedanken ab.

Im Fall von Edinburgh ist es aber kein Dieselmotor oder ein Melitta-Filter, der patentiert worden ist. In den Büros der Patentämter landen immer mehr Techniken, die es schleichend möglich machen, uns selbst, den Menschen, zu ändern. Aus dem Unternehmen Fortschritt wird das Unternehmen Schöpfung.

Es hat gerade erst begonnen. Modern wie es ist, operiert das Unternehmen global. Und wir alle sind die Aktionäre. Mehr als je zuvor müssen wir uns fragen, ob uns die Unternehmensziele überhaupt gefallen. Wenn nicht, müssen wir sie stoppen. Wie im Fall Edinburgh. Dieser Fall zeigt, dass die Entwicklung nicht gottgegeben ist.

So erklärt sich auch die Breite des Protests, die Zusammensetzung der Gruppe, die Einspruch erhob. Es handelt sich nicht um einen versprengten Haufen Unbelehrbarer. Es sind nicht Umweltaktivisten, die ein neues Betätigungsfeld oder bloß Publizität suchen. Es sind nicht allein die Deutschen, denen man Fortschrittsfeindlichkeit andichtet. Auch Italien, auch die als liberal geltenden Niederlande und die Deutsche Forschungsgemeinschaft machten ihre Skepsis geltend. Sie hatten Erfolg.

Für wie lange? Stunden, Tage, Monate? Die letzte Meldung lautet: Nicht in Europa, aber in Südkorea soll eine Frau seit einem Monat mit einem geklonten Embryo schwanger sein. Das ist die Zukunftsfrage: Der Mensch greift in die Technik ein – oder sie greift nach uns.

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