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Ist Lars Koch ein Held oder ein Mörder? Mit dieser moralisch wie juristisch hochkomplexen Frage konfrontierte TERROR - IHR URTEIL seine Zuschauer am vergangenen Freitag- bzw. Montagabend.

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"Terror - Ihr Urteil": Germany’s Next Top Gun

Hat die ARD mit "Terror - Ihr Urteil" ein juristisches Seminar abgehalten? Im Original-Text von Ferdinand von Schirach ist der Fall jedenfalls von Anfang an entschieden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Rüdiger Schaper

Ob man die spekulative Verhandlung im Fernsehen verfolgt oder in einem der vielen Theater, die Ferdinand von Schirachs Stück spielen – es ist klar, wie die Sache ausgeht. Der Pilot wird freigesprochen. Dazu bedarf es keiner Abstimmung. Dafür müssen Zuschauer nicht durch diese oder jene Tür den Saal verlassen oder die Telefone zum Glühen bringen. Man muss den Text nur lesen. „Terror“ ist nicht so geschrieben, dass der Bundeswehrsoldat als Mörder ins Gefängnis geht.

Ein Jurist hat sich dieses Spiel mit dem Schrecken ausgedacht, das verrät jeder Halbsatz. Auch in seinen Erzählungen mag Ferdinand von Schirach nicht von seinem Strafverteidigerberuf lassen. In „Terror“ gibt es quasi drei Plädoyers: das der Staatsanwältin, das des Anwalts, der den Piloten verteidigt, und die eigenen, langen Ausführungen des Beschuldigten. Von Schirach stattet ihn mit großer Eloquenz und Ruhe aus. In seiner Befragung gewinnt er die rhetorische Lufthoheit und zerlegt locker eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wie ein juristischer Vollprofi. Aus dem Piloten spricht der Autor, der sowieso alles besser weiß. Das Plädoyer der Staatsanwältin wirkt quälend theoretisch, während der Strafverteidiger souverän-flapsig auftritt – ein eitles Selbstporträt des Autors – und dem Prozess den letzten Dreh gibt: Freispruch! Was sonst?

Die Fernsehgerichtsshow von Lars Kraume verstärkt diese Tendenzen massiv. Unter den Augen eines strengen und gütigen, auch mal ironischen Richters, gespielt von Burghart Klaußner, nimmt das Drama seinen vorgegebenen Lauf. Die Szene ist ein idealtypisch abstrakter Gerichts- oder Parlamentssaal, im Hintergrund das Berliner Reichstagsgebäude. „Dem deutschen Volke“. Wir alle sind aufgerufen in diesem plebiszitär-populistischen Gerichtskrimi, in dem es keinen Mörder geben wird, aber 164 Tote, Opfer des Abschusses einer Lufthansa-Maschine, die von Terrorristen gekapert war und in das Münchner Stadion mit 70000 Zuschauern gelenkt werden sollte.

Der Pilot hat sich entschieden. Für das „kleinere Übel“, wie es heißt. Der entscheidende Satz in „Terror“ sagt: Wir sind hier nicht im juristischen Seminar! Sind wir aber doch, wenn man die rechtsphilosophischen Einlassungen der Staatsanwältin hört. Martina Gedeck spielt sie mit einer Arroganz, die Unsicherheit sein könnte, zickig. Lars Eidinger als Verteidiger gibt den Rotzkerl. Auch er kann mit Immanuel-Kant-Geschichten um sich werfen – und das sitzt dann, ist lebensnah. Keine Chance für die die wirklichkeitsfremde Frau Staatsanwältin.

Germany’s Next Top Gun. Für diesen Kampfflieger – Florian David Fitz – stimmen alle Schwiegermütter und viele ihrer Töchter. Die Uniform steht ihm. Er handelt, während Politiker, Juristen, Generäle nur reden! Er hat die Zeichen der Zeit, die terroristische Gefahr verstanden. Für eine Verurteilung sieht er viel zu gut aus. Im richtigen Moment zeigt er auch Gefühl.

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