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Politik: Terror im Luxushotel

Taliban stürmen das Intercontinental in Kabul – erst ein Nato-Hubschrauber kann die schwer bewaffneten Angreifer stoppen

Vier, fünf Stunden kauerte Saiz Ahmed in Todesangst in der Ecke seines stockfinsteren Hotelzimmers, während sich draußen im Flur Sicherheitskräfte und Taliban-Kämpfer Gefechte lieferten. Immer wieder hätten Explosionen das Gebäude erschüttert, erzählte der amerikanische Student später US-Reportern. „Der ganze Boden bebte. Ich dachte, das war’s.“ Im Schein seines Handys kritzelte er sein Testament auf einen Zettel und betete. Ahmed hatte Glück – er überlebte den spektakulären Terrorangriff der Taliban auf das staatliche Kabuler Luxushotel Intercontinental in der Nacht zum Mittwoch. Doch 13 andere Menschen, darunter ein Spanier und zwei Polizisten, kamen ums Leben. Auch neun Angreifer wurden getötet. Die Isaf musste mit einem Hubschrauber und Soldaten zur Hilfe eilen, um die Attacke niederzuschlagen.

Wieder haben die Taliban mitten in der Hauptstadt Kabul zugeschlagen – und das nur wenige Wochen, bevor in den ersten sieben Regionen des Landes afghanische Sicherheitskräfte die Verantwortung übernehmen sollen.

Die Militanten wollen offenbar Zweifel schüren, ob Afghanistans Polizei und Militär in der Lage sind, für Sicherheit am Hindukusch zu sorgen. Und das gelingt ihnen trefflich. Unter den Afghanen wächst die Angst vor einem neuen Bürgerkrieg. Wie prekär die Lage ist, zeigt schon, dass es den Tätern gelang, in das Luxushotel einzudringen, das gerne von der Regierung und Ausländern genutzt wird. „Wir glauben, es gab eine Lücke in der Sicherheit“, sagte der Sprecher des Geheimdienstes NDS, Lutfullah Mashal.

Mehr als sechs Stunden dauerte es, bis der Spuk vorbei war. Gegen 22 Uhr drangen die mindestens neun Täter – bewaffnet mit Raketenwerfern und Sprengstoffwesten – in das Hotel auf einem Hügel bei Kabul ein. Angeblich kamen einige durch den Haupteingang, andere dagegen von der Hinterseite des Gebäudes. Das Hotel war zu diesem Zeitpunkt gut besucht, in einem der Restaurants tafelte eine afghanische Hochzeitsgesellschaft. Erst am Vortag hatte zudem die Kontaktgruppe der Afpak-Sondergesandten von 50 Ländern dort getagt. Am Mittwoch selbst war eine Regierungskonferenz zur Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die Afghanen geplant, einige Teilnehmer aus den Provinzen waren schon da.

Im Hotel brach Panik aus, als sich ein oder mehrere der Täter selbst in die Luft sprengten, andere lieferten sich Schusswechsel mit Sicherheitskräften. Der Strom wurde gekappt, Flammen loderten aus den oberen Stockwerken des Gebäudes. Die letzten drei Militanten flüchteten aufs Dach des Gebäudes. Die Isaf kam mit einem Hubschrauber zur Hilfe, damit Scharfschützen aus der Luft auf die Männer feuern konnten. Erst am frühen Morgen war die Lage wieder unter Kontrolle. Die Taliban bekannten sich zu dem Anschlag. Ihr Sprecher behauptete, die Attentäter hätten Zimmer für Zimmer gezielt nach Ausländern durchkämmt – auch die Militanten wissen inzwischen, dass ihre Anschläge weit größere Aufmerksamkeit im Westen erregen, wenn Ausländer tatsächliches oder vermeintliches Ziel sind.

Der Anschlag habe anscheinend dem Regierungstreffen gegolten, das sich mit der Übergabe der Sicherheit an die Afghanen befassen sollte, meinte das Afghanistan Analyst Network. Die Gouverneure einiger Nordprovinzen seien bereits angereist gewesen, auch ausländische Teilnehmer seien erwartet worden.

Das fügt sich in das jüngste Bild ein. Seit Monaten attackierten die Taliban immer wieder die afghanischen Sicherheitskräfte – bevorzugt auch in jenen Gebieten, die nun als erste von der Isaf übergeben werden sollen. Damit wollen die Taliban offenbar Sicherheitskräfte und Bevölkerung zermürben und das Isaf-Konzept durchkreuzen. Die Isaf will die afghanischen Sicherheitskräfte auf mehr als 300 000 aufstocken, damit die ausländischen Truppen schrittweise abziehen können.

Doch die Skepsis wächst, ob Afghanistan der Aufgabe bereits gewachsen ist. Der neue Isaf-Sprecher, Bundeswehr-Brigadegeneral Carsten Jacobson, mühte sich dagegen, die Zweifel zu zerstreuen. Die afghanischen Sicherheitskräfte „haben das hervorragend gemacht“, erklärte er. Die Isaf habe nur eine „Unterstützerrolle“ gehabt.

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