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Terror in Bombay: Indischer Innenminister tritt zurück

Nach dem dreitägigen Terrordrama in Bombay steht Indiens Regierung unter Druck. Aufgebrachte Bürger ziehen durch die Straßen und werfen der Politik Versagen vor.

Für Indiens Regierung könnte es der Anfang vom Ende sein. Nach dem dreitägigen Terrordrama mit 183 Toten in Bombay ist das Volk wütend. Bürger zogen durch die Straßen und warfen Politik und Behörden Versagen vor. „Genug ist genug“, titelten Medien. Viele Bürger fühlen sich nicht mehr sicher. Der Ärger wuchs noch, als bekannt wurde, dass seit Monaten Warnungen vor einem Terroranschlag vorlagen. Fischer hätten die Behörden vor zwei Wochen angeblich sogar informiert, dass Unbekannte große Mengen Sprengstoff nach Bombay schmuggeln. Doch die Verantwortlichen schliefen und schlampten offenbar. Obendrein brauchte die Elite-Truppe „Black Cats“ zehn Stunden, um zum Tatort zu gelangen – weil Flugzeug und Busse zu spät kamen.

Nun steht die Regierung enorm unter Druck. Im Frühjahr wird in Indien gewählt. Die regierende Kongresspartei zog am Sonntag erste Konsequenzen. Als erster musste Innenminister Shivraj Patil zurücktreten. Er hatte schon bei der Bombenserie am 13. September in Delhi eine schlechte Figur gemacht. Der als Dandy verspottete Minister schien mehr an einem telegenen Aussehen interessiert als an dem Anschlag – in vier Stunden wechselte er dreimal die Garderobe. Sein Nachfolger wird Finanzminister Chidambaram. Regierungschef Manmohan Singh übernimmt in Personalunion auch das Finanzressort.

Gegenüber Pakistan blieb die Regierung bei ihren Anschuldigungen. Sie vermutet die pakistanische Terrorgruppe Lashkar-e-Toiba (LeT) hinter dem Terrordrama, das erst nach 60 Stunden am Samstag endete. In einem Telefonat drohte Außenminister Pranab Mukherjee dem Nachbarland mit „ernsten Konsequenzen“. TV-Sender meldeten, Indien erwäge, die Friedensgespräche aufzukündigen.

Die Anschlagsserie von Bombay hat das Verhältnis der beiden Staaten schwer belastet, aber aus den verbalen Attacken dürfte kaum blutiger Ernst werden – Neu-Delhis Rhetorik wurde schnell zurückhaltender: Man habe bisher nicht Pakistans Regierung direkt beschuldigt, betonte man nun, sondern „Elemente aus Pakistan“. Tatsächlich geht es vor allem darum, Stärke zu demonstrieren. Viele Beobachter glauben, dass der Terroranschlag in Bombay die Niederlage der Kongresspartei bei den bevorstehenden Wahlen besiegelt hat. Terrorismus ist eines der großen Wahlkampfthemen.

Vor allem die oppositionelle Hindu-Partei BJP attackiert in diesem Punkt die Regierung und wirft ihr Versagen vor. Die BJP verlangt, dass auch unter Polizeifolter abgepresste Geständnisse von „Terroristen“ vor Gericht anerkannt werden. Allein in diesem Jahr gab es in sieben indischen Großstädten Bombenserien. Die meisten Anschläge gingen – allem Anschein nach und das ist ein neues Phänomen in Indien – auf das Konto von einheimischen Muslimen.

Die Machart der Anschläge von Bombay weist nach Ansicht von Experten auf Profi-Terroristen hin, die von Al Qaida inspiriert und im Ausland ausgebildet wurden. Der einzige überlebende Terrorist, der 22-jährige Pakistaner Amir Kasav, hat angeblich gestanden, dass er der Gruppierung LeT angehört. Kasav soll berichtet haben, er sei mit elf anderen Terroristen aus der pakistanischen Hafenstadt Karachi per Schiff nach Bombay gereist. Einige Terroristen sollen als Studenten getarnt zuvor länger in Bombay gewohnt haben. Andere sollen sich als Hotelgäste im Hotel Taj Mahal eingemietet haben, um einen Lageplan zu erstellen.

Christine Möllhoff[Neu Delhi]

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