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Absperrungen an der Metrostation Maalbeek: Brüssel hat mit einem Anschlag gerechnet, verhindern ließ er sich nicht.

© AFP

Terror in Brüssel: "Es war klar, dass etwas passieren wird, nur nicht, wann und wo"

Sowohl die soziale Durchmischung der belgischen Hauptstadt als auch ihre spezielle Rolle in Europa machen sie zu einem besonderen Anschlagsziel, erklärt Einwanderungsexperte Christof Roos, der in Brüssel lehrt.

Christof Roos sitzt am frühen Dienstagvormittag in seinem Büro der Vrije Universiteit Brussel und schaut abwechselnd aus dem Fenster und auf den Bildschirm seines Computers, wo die aktuellen Nachrichten des belgischen Senders RTBF zu sehen sind. "Wir gehen alle nicht vor die Tür", sagt Roos, während draußen Sirenen heulen und Militär auffährt. Das Büro des 36-jährigen Professors auf dem Campus der flämischen Vrije Universiteit liegt im Stadtteil Etterbeek, nur zehn Minuten entfernt vom EU-Parlament.

Seit Monaten schon warte halb Brüssel auf einen Anschlag, sagt Roos, "seit November war klar, dass etwas passieren wird, man wusste nur nicht, wann und wo". Auch mit Freunden diskutierte er immer wieder über die angespannte Situation und wie sie sich am besten verhalten sollten. "Am Ende lässt man sich doch nicht einschränken", sagt er.

Razzien werden Alltag

 Die Nachricht von der ersten Explosion erreichte Christof Roos noch früh am morgen zuhause, trotzdem  setzte er sich kurz darauf in die Tram zur Arbeit. "Vielleicht blauäugig", sagt er im Nachhinein. "Aber man folgt der Routine." In so vielen Stadtteilen Brüssels habe es in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder Razzien gegeben, mittlerweile nehme man das einfach so hin. Und wie soll man auch anders leben mit einer unsichtbaren Bedrohung, von der man nie weiß, ob und wie sie Wirklichkeit wird?

Christof Roos, der schon lange zu Einwanderung in der Europäischen Union forscht, hat einige Erklärungsansätze, warum gerade Brüssel immer wieder mit islamistischem Terror in Verbindung gebracht wird. "Hier sprechen mehr Leute Arabisch als Niederländisch, die erste Amtssprache Belgiens", sagt er. Es gebe einen großen marokkanischen Bevölkerungsanteil, innerhalb dessen sich junge, oft arbeitslose und frustrierte Männer leicht radikalisieren ließen. Auch ausländische Staaten stärkten radikale Prediger in Brüsseler Moscheen, wogegen die Regierung im säkularen Belgien noch keine wirksame Strategie gefunden habe. Allein kleine lokale Projekte und Organisationen versuchten, dagegen zu arbeiten - was  nicht ausreiche. "Zudem", sagt Roos, "ist Brüssel Diplomatenhauptstadt." Will heißen: Wer internationale Entscheider treffen will, hat mit einem Anschlag hier gute Chancen.

Den Liveblog zu den Terroranschlägen in Belgiens Hauptstadt finden Sie hier.

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