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Update

Terror in Frankreich: Innenministerium dementiert Festnahme

Das französische Innenministerium hat dementiert, dass der mutmaßliche Attentäter von Toulouse festgenommen worden ist. Das teilte ein Ministeriumssprecher am Mittwoch mit. Bei dem Bruder des mutmaßlichen Serientäters wurde Sprengstoff entdeckt.

Der französische Innenminister Claude Guéant hat Berichte über die Festnahme des mutmaßlichen Serienmörders Mohammed M. von Toulouse dementiert. Zuvor hatten der TV-Nachrichtensender BFM und das Magazin "Le Point" übereinstimmend berichtet, der Mann sei überwältigt worden. Er hat sich in einem Haus verschanzt und steht in Verdacht, in Toulouse und Umgebung sieben Menschen getötet zu haben. Mohammed M. war laut Innenminister Claude Guéant auch in Afghanistan und Pakistan. Der Verdächtige sei seit mehreren Jahren vom französischen Nachrichtendienst DCRI beobachtet worden, sagte Guéant nach Berichten des Figaro, aber "nichts habe darauf hingewiesen, dass eine kriminelle Aktion vorbereitet worden sei."

Die französische Polizei hat außerdem Sprengstoff im Auto des Bruders des mutmaßlichen Serien-Attentäters von Toulouse gefunden. Das verlautete am Mittwoch aus Polizeikreisen in der südwestfranzösischen Stadt, ohne dass zunächst Einzelheiten mitgeteilt wurden. Zuvor waren der Bruder, dessen Freundin und die Mutter des Verdächtigen in Polizeigewahrsam genommen worden. Er und sein Bruder sind Mitglieder einer islamistischen Gruppe in Toulouse.

Die Polizei bereitete sich am frühen Nachmittag offenbar auf einen Zugriff vor. Cedric Delage, der Regionalsekretär einer Polizeigewerkschaft, hatte erklärt, der Verdächtige habe zugesagt, sich bis 14.30 Uhr zu ergeben. Wenn das nicht geschehe, werde die Polizei mit Gewalt in das Haus eindringen und versuchen, den Mann festzunehmen. Hunderte Polizisten haben das Haus umstellt. Sie verhandelten seit Stunden mit dem mutmaßlichen Täter.

Die französischen Einsatzkräfte war es gelungen, den Kontakt zum mutmaßliche Serienmörder von Toulouse wieder aufzunehmen. Nachdem er stundenlang mit den Ermittlern durch die Tür gesprochen hatte, hatte er gegen Mittag plötzlich damit aufgehört, wie der französische Innenminister Claude Guéant mitteilte. Um 11 Uhr 30 haben Einsatzkräfte, das Gebäude zu evakuieren, berichten die Onlineseite von "Le Monde". Zuvor hatten die Bewohner mehr als acht Stunden in ihren Wohnungen ausharren müsse - in der Angst, im Haus befinde sich eventuell eine Bombe.

Präsident Nicolas Sarkozy hat derweil das "außerordentliche Engagement der Einsatzkräfte" gewürdigt. Nach der Trauerfeier für die Opfer von Montauban werde er sich nach Toulouse begeben. Der mutmaßliche Täter ist nach Angaben von Sarkozy identifiziert. Nach einer Unterredung mit Vertretern der jüdischen und muslimischen Glaubensgemeinschaften betonte er, es werde alles getan, damit er sich vor der Justiz verantwortet. Sarkozy betonte: "Der Terrorismus wird unsere nationale Gemeinschaft nicht zerbrechen." Er warnte vor Rachegedanken und einer Verquickung von Religion und Terrorismus.

Bilder von der Trauerfeier in Israel:

Der Verdächtige wollte sich nach Angaben Guéants am Nachmittag der Polizei ergeben. Guéant erklärte dem TV-Nachrichtensender BFM, der Mann habe einem Polizisten seine Absichten erklärt, nachdem er eine Waffe aus dem Fenster geworfen habe. "Er hat aber weitere Waffen, darunter eine Kalaschnikow, eine Uzi und diverse Feuerwaffen", sagte Guéant. Es sei der Mann, der die Taten begangen habe, die Justiz wolle ihn lebend festnehmen und vernehmen. Guéant: "Dieser Mann hat bereits mehrere Straftaten auf französischem Boden begangen, einige mit Gewalt (...) Er spricht viel, er ist dabei, seinen gesamten kriminellen Weg zu erzählen."

Es habe mehrere Festnahmen gegeben; darunter seien auch die beiden Schwestern und Brüder des Mannes sowie die Mutter. Einer der Brüder sympathisiere wie der Verdächtige mit den extremistischen Salafisten. Die Mutter sei von der Polizei an den Einsatzort gebracht worden, habe aber nicht Kontakt mit ihrem Sohn aufnehmen wollen.

Sicherheitskräfte umzingelten in der Nacht das Haus der Verdächtigen

Die französische Polizei möchte den Verdächtigen lebend gefangen nehmen, berichtet die Onlineseite der französischen Zeitung "Le Figaro". Ein Reporter der Zeitung berichtet von einer Explosion in der Nähe des Hauses. Die Polizei habe einen Wagen, der ihnen manipuliert erschien, nach Angaben von France3 Midi-Pyrénées vorsichtshalber gesprengt. Der Wagen gehörte dem Verdächtigen, darin wurden weitere Waffen gefunden. Außerdem wurde das Gas im gesamten Viertel abgestellt, berichtet "Le Figaro".

Die Sicherheitskräfte umzingelten in der Nacht zu Mittwoch ein kleines Haus im Viertel la Croix-Daurade von Toulouse, wie aus Ermittlerkreisen verlautete. Der französische TV-Sender France Info berichtete unter Berufung auf den Innenminister Claude Guéant, der Verdächtige habe beim Zugriff der RAID durch seine Wohnungstür geschossen. Ein Beamter sei am Knie verletzt worden, ein zweiter erlitt einen Streifschuss. In Verhandlungen, die ihn zur Aufgabe bewegen sollten, habe der Mann viel über sein Engagement für den Dschihad gesprochen, zitierte France Info den Minister.

Von dem Mann führt eine Spur nach Afghanistan. Der 24-Jährige ist nach Angaben der zuständigen afghanischen Behörde vor mehreren Jahren aus dem Gefängnis in der Taliban-Hochburg Kandahar geflohen. Seinen Namen gab der Direktor des Gefängnisses in der südafghanischen Provinzhauptstadt, Ghulam Faruk, mit Mohammad M. an. "Wir haben Dokumente, die zeigen, dass Merah 2007 in Kandahars Zentralgefängnis unter unserer Obhut war", sagte Faruk am Mittwoch. Dem Häftling sei danach die Flucht gelungen. Es sei unklar, ob er Teil des Massenausbruchs Mitte 2008 gewesen sei.

Faruk sagte, die Dokumente der Gefängnisverwaltung würden noch untersucht. Mitte 2008 hatte ein Taliban-Kommando das Gefängnis gestürmt und rund 1000 Häftlinge befreit, darunter zahlreiche Aufständische. Im April vergangenen Jahres waren bei einem weiteren spektakulären Massenausbruch Hunderte Aufständische durch einen Tunnel aus demselben Gefängnis entkommen.

Mohammed M. habe am Mittwoch erklärt, dass er zu dem Terrornetzwerk Al Qaida gehöre, er habe "palästinensische Kinder rächen" und die französische Armee angreifen wollen. Er zähle zu "den Leuten, die aus Kampfgebieten zurückkommen und immer die Geheimdienste beunruhigen", hieß es aus Ermittlerkreisen. Weiter hieß es, der Verdächtige sei bereits im Zusammenhang mit den vorhergegangenen Angriffen in Toulouse und Montauban im Visier der Fahnder gewesen. Dann habe die Kriminalpolizei mit einer „sehr wertvollen“ Information die Ermittlungen ein wichtiges Stück vorangebracht.

Sicherheitskräfte mit schusssicheren Westen und Helmen riegelten das Wohngebiet ab, das nicht weit von der jüdischen Schule entfernt ist, vor der ein Unbekannter am Montagmorgen einen Lehrer und drei Kinder erschossen hatte. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft waren "mehrere Einsätze" gleichzeitig im Raum Toulouse im Gange. Die Operation hatte gegen 3.00 Uhr begonnen.

Ermittler kamen dem Verdächtigen übers Internet auf die Spur

Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft von Paris die Befürchtung geäußert, dass der Serientäter erneut zuschlagen könnte. Es handele sich um einen "extrem entschlossenen" und "kaltblütigen" Täter, sagte Staatsanwalt François Molins am Dienstag. Alle sieben Opfer an den drei Tatorten seien mit einem "aufgesetzten Kopfschuss" getötet worden.

Der Staatsanwalt hob mehrfach hervor, dass sämtlichen Spuren nachgegangen werde und dass derzeit keine Spur als vorrangig anzusehen sei. Er verwies aber auf die Möglichkeit eines rassistischen oder antisemitischen Verbrechens. Vier Opfer waren jüdischen Glaubens, die drei anderen nordafrikanischer Abstammung.

Ein Land im Schock. Bilder vom Tag des Angriffs auf die jüdische Schule:

Der Staatsanwalt verwies darauf, dass in allen Fällen auch dieselbe Waffe - ein Colt 45 vom Kaliber 11,43 Millimeter - verwendet worden sei. Die Ermittler sind dem Verdächtigen nach ersten Erkenntnissen durchs Internet auf die Spur gekommen. Das erste Opfer war mit seinem mutmaßlichen Mörder über eine Internet-Verkaufs-Plattform in Kontakt getreten, berichtete der TV-Nachrichtensender BFM unter Berufung auf Polizeikreise. Das Opfer hatte sein Motorrad verkaufen wollen und die geringe Kilometerleistung mit längeren beruflichen Auslandseinsätzen als Soldat erklärt. Der Täter hatte mit ihm per Mail einen Treffpunkt vereinbart. Die von Polizeiermittlern identifizierte IP-Adresse gehörte zu einem Computer, der dem Bruder des Tatverdächtigen gehört.

Zudem soll ein Yamaha-Händler demnach berichtet haben, dass ein Kunde sich ein paar Tage zuvor informiert habe, wie man den Chip für die Satelliten-Verfolgung des Motorrollers deaktivieren könne. Der Täter war mit einem Motorroller dieser Marke unterwegs gewesen.

Ein Unbekannter hatte am Montagmorgen vor der jüdischen Schule im südfranzösischen Toulouse drei Kinder und einen Lehrer erschossen. Am Donnerstag hatte in Montauban, 50 Kilometer von Toulouse entfernt, offenbar derselbe Täter zwei Fallschirmjäger erschossen. Bei seinem ersten Angriff am 11. März hatte der Täter in Toulouse einen Fallschirmjäger in Zivil getötet. Der Unbekannte trug immer einen Motorrad-Helm und blieb deshalb unerkannt.

In Israel trauern tausende um die Opfer des Anschlags in Toulouse

„Der Schmerz ist unerträglich. Das ganze israelische Volk weint.“ Das sagt der israelische Innenminister Eli Jischai bei der Beisetzung der Opfer von Toulouse in Jerusalem. Damit spricht er den Tausenden aus der Seele, die sich am Mittwoch auf dem Har-Hemenuchot-Friedhof versammelt haben. Sie erweisen Rabbiner Jonathan Sandler (30), seinen zwei kleinen Söhnen Gabriel (3) und Arieh (6) sowie der Tochter des Direktors der Schule in Toulouse, Miriam Monsonego (8), die letzte Ehre. Freunde müssen die Angehörigen stützen, Tränen fließen.

In den Schmerz mischt sich aber auch Zorn. „Das jüdische Volk steht wilden Tieren gegenüber, die unersättlich und von blindem Hass angetrieben sind“, sagt Parlamentspräsident Reuven Rivlin bei einer kurzen Ansprache. Die Verbrechen von Toulouse stünden in einer Linie mit den Anschlägen in den 1990er Jahren gegen die israelische Botschaft und das jüdische Kulturzentrum Amia in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires, den Anschlägen in Mumbai 2008 oder den Morden an der Siedler-Familie Fogel vor einem Jahr in Itamar im Westjordanland. „Aber wir werden ihren Sieg nicht zulassen“, sagt Rivlin. Israel sei für den weltweiten Schutz von Juden zuständig.

An der Trauerfeier, zu der der strahlend blaue Frühlingshimmel nicht zu passen scheint, nimmt auch der französische Außenminister Alain Juppé teil. „Ein Angriff gegen Juden ist ein Angriff auf alle Franzosen“, sagt er Medienberichten zufolge. „Frankreich wird alles tun, um sicherzustellen, dass sich so eine unglaubliche Tragödie nie wiederholt.“ Die Morde hätten Frankreich im Herzen getroffen.

Das Fernsehen zeigt erschütternde Szenen von trauernden Angehörigen, die sich in ihrem Schmerz zu Boden werfen. Die schwangere Witwe Sandlers, der noch eine kleine Tochter geblieben ist, sitzt zusammengesunken in einem Rollstuhl. Ihr Zustand ist derart prekär, dass Ärzte sie von Frankreich aus begleiten.

Ein Sandler nahe stehender orthodoxer Jude beschreibt den Rabbiner schluchzend und auf Französisch als warmherzigen und großzügigen Mann. Sandler sei ein großartiger Lehrer gewesen. Der Chef-Rabbiner der sephardischen Juden, Schlomo Amar, bezeichnet die Morde als unbegreiflich und den Täter als „bösen Menschen“. „Gott wird Euren Tod rächen“, wird er zitiert. Aber Amar ruft auch dazu auf, stark zu sein: „Wir weinen, aber wir werden nicht verzweifeln“.

Zu einer Zeremonie zu Ehren der drei bei Anschlägen in Südfrankreich getöteten Fallschirmjäger werden am Mittwoch in Montauban neben Präsident Nicolas Sarkozy zahlreiche weitere Spitzenpolitiker erwartet. Ihre Teilnahme zugesagt haben Premierminister François Fillon sowie die Minister für Verteidigung, Justiz und Inneres. Außerdem wollen Sarkozys Gegenkandidaten bei der Präsidentenwahl François Hollande, Marine Le Pen, François Bayrou und Nicolas Dupont-Aignan der Zeremonie am Nachmittag beiwohnen. Sarkozy werde in Erinnerung an die getöteten Soldaten eine Trauerrede halten, teilte der Elysée-Palast mit. Die Zeremonie findet unter strengen Sicherheitsvorkehrungen statt.

Die Leichen der am Montag in der jüdischen Schule von Toulouse Ermordeten wurden in der Nacht zum Mittwoch mit einer israelischen Maschine nach Jerusalem gebracht. An Bord waren auch Angehörige der Opfer und Außenminister Alain Juppé. In Jerusalem werden der ermordete Lehrer und Rabbiner Jonathan Sandler mit seinen zwei kleinen Söhnen sowie das vierte Opfer, ein Mädchen namens Miriam Monsonego, beigesetzt.

Der Lehrer hatte die israelische und französische Staatsbürgerschaft. Die Familie Monsonego war nach israelischen Medienberichten vor 20 Jahren von Jerusalem nach Toulouse gezogen. Nach jüdischem Glauben ist es besonders wünschenswert, in Israel begraben zu werden. (mit AFP, dpa, dapd)

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