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Nach der Mordnacht sind die Spuren in den Straßen rund um die Tatorte noch zu sehen.

© Uwe Anspach/dpa

Terror in Paris: Das ist bisher über die Anschläge bekannt

Es war das schlimmste Attentat in Frankreich seit Jahrzehnten. Neben vielen Gerüchten gibt es auch Fakten. Die lesen Sie hier.

Nach den Anschlägen in Paris mit mindestens 128 Toten und hunderten Verletzten verdichten sich die Hinweise auf einen islamistischen Hintergrund. Die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) übernahm die Verantwortung für die Attentate.

Was ist über die Täter bekannt?

Die genaue Zahl der Täter ist noch unklar. Wie am Sonntagmorgen bekannt wurde, entdeckten Ermittler im Vorort Montreuil einen schwarzen Seat, in dem sich Kalaschnikows befanden. Ein solches Fahrzeug wurde dem Pariser Staatsanwalt François Molins zufolge am Freitag beim Angriff mit Schusswaffen auf eine Bar in der Rue de la Fontaine au Roi und ein Restaurant in der Rue de Charonne benutzt. Das legt den Verdacht nahe, dass einer der Terroristen oder mehrere flüchtig sein könnten. Eine Bestätigung gab es dafür bis zum Mittag nicht.

Die französischen und deutschen Sicherheitsbehörden sprechen bisher von sieben Terroristen. Alle sind tot. Sechs jagten sich demnach mit Sprengstoff in die Luft, einen erschoss die Polizei. Die Identifizierung der Täter ist offenbar schwierig. Einer soll ein Franzose sein, den die Behörden möglicherweise schon kannten. In der Nähe eines weiteren getöteten Terroristen fand die Polizei einen syrischen Pass.

Ob er dem Mann gehörte, sei jedoch unklar, heißt es in deutschen Sicherheitskreisen. Sie empfinden es zudem als merkwürdig, dass in dem Bekennerschreiben, das dem IS zugeschrieben wird, keine Kampfnamen der Dschihadisten genannt werden. „Das ist unüblich“, sagte ein hochrangiger Experte. „Normalerweise werden die Kampfnamen erwähnt, damit die Szene sie entsprechend feiern kann.“

Das Bekennerschreiben wird unter anderem über eine arabischsprachige Website der militanten Szene verbreitet. Frankreich wie Deutschland werden explizit genannt. Es ist die Rede von den „kreuzzüglerischen Franzosen und den kreuzzüglerischen Deutschen“, die sich ein Fußballspiel anschauten. Die Verfasser behaupten zudem, sie hätten das Stadion als Ziel ausgewählt, weil der französische Präsident François Hollande zum Länderspiel kam. „Das alles könnte auch von Trittbrettfahrern nachgeschoben worden sein“, sagte ein deutscher Experte.

Wie wahrscheinlich ist es, dass der IS die Anschläge koordinierte?

In Sicherheitskreisen ist zu hören: Entweder habe der „Islamische Staat“ die Anschläge direkt gesteuert oder aber die Täter seien zumindest ideologisch vom IS inspiriert gewesen und hätten im Sinne der Terrormiliz gehandelt. Frankreich ist dem IS vor allem aus zwei Gründen verhasst. Die französische Luftwaffe beteiligt sich an Angriffen in Syrien, und französische Einheiten haben Anfang 2013 Teile der von Islamisten eroberten Nordregion des afrikanischen Staates Mali freigekämpft. Die „Gotteskrieger“ dort stehen zwar eher in Verbindung mit Al Qaida, doch der IS reklamiert für sein „Kalifat“ die ideologische Führung weltweit.

Dass Al Qaida hinter den Anschlägen in Paris stecken könnte, schließen Sicherheitsexperten allerdings nicht aus, auch wenn es als weniger wahrscheinlich gilt. Al Qaida müsse sich angesichts der Konkurrenz des deutlich erfolgreicheren IS „beweisen“, warnen Sicherheitskreise. Verheerende Anschläge im Westen wären eine passende Methode, in der Islamisten-Szene verloren gegangenes Renommee zurückzugewinnen. Immerhin hatte sich Al Qaida im Jemen zum Angriff auf das Satireblatt „Charlie Hebdo“ bekannt.

Außerdem könnte Al Qaida wegen seiner Präsenz in Mali wie auch in Syrien behaupten, es gebe Gründe, Frankreich anzugreifen. Die Al-Nusra-Front hat in Syrien schwere Anschläge verübt, sie richteten sich vor allem gegen das Assad-Regime. Der Al-Qaida-Ableger kämpft allerdings auch gegen den „Islamischen Staat“.

Es gibt Gerüchte, die Täter hätten eigentlich beim Freundschaftsspiel Frankreich gegen Deutschland zuschlagen wollen. Was spricht dafür?

Übereinstimmenden Medienberichten zufolge soll mindestens ein Attentäter versucht haben, am Freitagabend während des Spiels ins Stade de France zu gelangen. Das „Wall Street Journal“ schrieb am Samstag, dass wenigstens ein Attentäter ein Ticket für das Spiel gehabt haben soll. Er sei von einem Ordner beim Sicherheitscheck aber aufgehalten worden. Darauf habe der Mann den Sprengstoff zur Explosion gebracht.

Der französischen Sportzeitung „L'Équipe“ zufolge haben sogar zwei Attentäter versucht, das Stadion zu betreten. Beide sollen aber entgegen des WSJ-Berichtes keine Tickets für die Partie im gehabt haben, schrieb das Blatt am Sonntag. Um 21.05 Uhr am Freitagabend und damit etwa fünf Minuten nach Anpfiff soll dem Bericht zufolge einer der Attentäter im Sektor Ost, der andere im Sektor Nord vergeblich versucht haben, in den Stadionbereich zu kommen.

Die Vermutungen sind auch ansonsten durchaus plausibel. Ein Selbstmordattentat im Stadion, mitten unter den Zuschauern, hätte den Schrecken nochmal gesteigert. Das wäre durchaus im Sinne des IS oder auch von Al Qaida gewesen. Schreiende, blutende Zuschauer, die panisch auf das Spielfeld laufen und die international bekannten Fußballer Frankreichs und Deutschland umrennen – dieses Szenario passt zur Mordlust, die vor allem der IS in seiner Propaganda im Internet präsentiert.

In den Videos und im hochglanzartigen Magazin „Dabiq“ werden Ungläubige und andere Feinde geköpft, verbrannt, ertränkt, gesteinigt und sonst wie getötet. Bilder eines Massakers im Stadion in Paris hätte der IS zuhauf ins Internet gestellt. Die psychologische Kriegführung der Terrormiliz setzt, stärker noch als bei Al Qaida, auf das Schüren von Angst, Hysterie und Panik. Das hat bei den Feldzügen in Syrien und vor allem im Irak auch erschreckend gut funktioniert. Als die IS-Kämpfer in der Großstadt Mossul auftauchten, liefen die Soldaten weg – wahrscheinlich auch aus Angst, in IS-Gefangenschaft gefoltert und massakriert zu werden.

Gibt es Verbindungen zu dem Angriff auf „Charlie Hebdo“?

Ein Indiz könnte sein, dass sich zu dem im Januar zwei Tage später verübten Angriff auf einen jüdischen Supermarkt in Paris ebenfalls der IS bekannt hat. Der Täter Amédy Coulibaly war ein Komplize der Brüder Chérif und Said Kouachi, die bei „Charlie Hebdo“ um sich geschossen hatten. Sicherheitsexperten glauben allerdings, dass Coulibaly im (Un-)Geist des IS agierte, nicht aber von der Terrormiliz gezielt eingesetzt wurde. Das gilt auch für die Brüder Kouachi, die angeblich im Auftrag des Al-Qaida-Ablegers im Jemen handelten.

Wie stark ist die Islamistenszene in Frankreich?

Die dschihadistische Szene wächst seit Jahren – und es hat immer wieder Anschläge gegeben. Nach Schätzungen der Sicherheitsbehörden sind etwa 2000 Franzosen oder in Frankreich lebende Menschen in dschihadistischen, radikalislamischen Netzwerken aktiv. Es sind Studien zufolge vor allem junge Männer, die für den Islamismus anfällig sind. Sie stammen oft aus den heruntergekommenen, mit vielen sozialen Problemen kämpfenden Vororten großer Städte wie Paris und Lyon. Mehr als 500 Staatsbürger sollen außerdem in den Reihen von IS und Al Qaida in Syrien und dem Irak kämpfen. Etwa 250 Franzosen sind inzwischen aus der Konfliktregion zurückgekehrt.

Was hat der Verhaftete aus Bayern mit den Anschlägen zu tun?

Das ist vorerst unklar. Bundesinnenminister Thomas de Maizière wollte nicht darüber spekulieren, in welchem Zusammenhang der Fall zu den Pariser Anschlägen steht. Die Polizei hatte im Rahmen einer Schleierfahndung vor einigen Tagen an der Autobahn Salzburg – München einen Mann festgenommen, der in einem „professionell verbauten Versteck“ seines Wagens mehrere Pistolen, Revolver, Maschinenpistolen, Munition sowie einige Kilogramm TNT-Sprengstoff transportiert habe, berichtete der Bayerische Rundfunk. Der 51 Jahre alte Mann stammt mutmaßlich aus Montenegro.

Auch am Brandenburger Tor wird der Opfer von Paris gedacht.
Auch am Brandenburger Tor wird der Opfer von Paris gedacht.

© Lukas Schulze/dpa

Der Verdacht liege nahe, dass der Festgenommene „terroristische Absichten“ hatte „beziehungsweise den Terroristen Waffen liefert“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Aufgrund der Daten des Navigationssystems und des Handys „gibt es deutliche Hinweise, dass der Mann nach Frankreich wollte“. Das Landeskriminalamt (LKA) äußerte sich jedoch vorsichtig. „Waffenschmuggel ist ein gängiges Geschäft“, sagte ein Sprecher.

Laut Bayerischem Rundfunk nahm das LKA nach der Festnahme Kontakt zu französischen Behörden auf und berichtete ihnen von dem Fall. Die Franzosen sollen jedoch zurückhaltend reagiert haben. Dem LKA sei mitgeteilt worden, es möge ein Rechtshilfeersuchen stellen, sollten Informationen aus Frankreich benötigt werden. Womöglich haben die Behörden in Paris die Geschichte aus Bayern unterschätzt.

Haben die Geheimdienste versagt?

Für eine Analyse ist es wohl noch zu früh. Es fällt allerdings auf, dass der islamistischen Terrorszene in Frankreich selbst nach dem Angriff auf „Charlie Hebdo“ und weiteren Anschlägen nun eine Attacke mit noch deutlich gesteigerter Dimension möglich war. Vielleicht haben Polizei und Nachrichtendienste Warnzeichen übersehen. Einer der Attentäter, offenbar ein Franzose, soll den Behörden bekannt gewesen sein.

Die Anschläge werden mit denen in Mumbai verglichen. Warum?

Der Terrorangriff vom November 2008 in Mumbai könnte die „Blaupause“ für die Anschläge in Paris gewesen sein, sagen Sicherheitsexperten. In der indischen Metropole schlugen die Täter auch an mehreren Stellen beinahe gleichzeitig zu und setzen Sturmgewehre und Sprengstoff ein. Damals starben mehr als 170 Menschen, Spezialeinheiten von Polizei und Militär konnten die islamistischen Terroristen erst nach zwei Tagen ausschalten. Es gibt aber noch eine weitere Parallele zu dem Horror in Paris.

In Mumbai bekam die Welt über die Berichterstattung der Medien in Echtzeit den Terror mit. Das dürfte ein Kalkül der Angreifer gewesen ein. Weltweit reagieren Fernsehzuschauer geschockt, ein Effekt auch psychologischer Kriegführung. In Paris waren die Bedingungen dafür auf furchtbare Weise noch günstiger. Das Länderspiel Frankreich gegen Deutschland war am Freitagabend ein zentrales Fernsehereignis. Zahllose Fußballfans erlebten live im Wohnzimmer oder in der Kneipe, wie der Terror über Paris hereinbrach. Härter lässt sich die von Extremisten gleich welcher Couleur beschworene „Propaganda der Tat“ kaum inszenieren.

Die Terroristen haben ihre Angriffe mit dem Einsatz Frankreichs in Syrien begründet. Wie engagiert sich die Regierung in Paris im Bürgerkriegsland?

Seit September 2014 ist Frankreich Teil des von den USA geführten Bündnisses im Kampf gegen den IS. Anfangs bombardierten französische Kampfjets allerdings nur Stellungen der Dschihadisten im Irak. Ein Jahr später weitete Staatschef Hollande die Angriffe dann auf Syrien aus. Er begründete diesen Schritt damit, dass die syrische Bevölkerung sowohl vor der Gewalt der Islamisten als auch vor den Attacken von Machthaber Baschar al Assad geschützt werden müsse. Auch gehe es darum, „Gotteskrieger“ zu treffen, die Anschläge in Frankreich planen könnten. Bisher gab es jedoch nur einige Luftschläge gegen den IS in Syrien. Womöglich wird sich das nach den Terrorattacken von Paris rasch ändern: Anfang November beschloss die Regierung, den Flugzeugträger „Charles de Gaulle“ in die Region zu entsenden.

Präsident Hollande hat den Ausnahmezustand für ganz Frankreich verhängt. Was bedeutet das konkret?

Wie Hollande in seiner Erklärung am späten Freitagabend erläuterte, bedeutet die Verhängung des Ausnahmezustands, dass überall im Land bestimmte Orte geschlossen werden können und der Verkehr unterbunden werden kann. Zudem sind nach den Worten des Staatschefs in der gesamten Region Ile-de-France Hausdurchsuchungen ohne richterlichen Beschluss möglich. Darüber hinaus kann in der französischen Hauptstadt und der umliegenden Region Hausarrest für Personen verhängt werden, deren „Aktivität“ als „gefährlich für die Sicherheit und die öffentliche Ordnung“ angesehen wird.

Hollande kann sich auf ein Gesetz von 1955 berufen. Dass tatsächlich der Notstand ausgerufen wird, kommt nur sehr selten vor. Zuletzt wurde der Ausnahmezustand 2005 während der Vorstadt-Krawalle auf Initiative des damaligen konservativen Regierungschefs Dominique de Villepin verhängt. Anders als diesmal handelte es sich dabei aber nicht um einen landesweiten Notstand.

Die Notstandsgesetzgebung geht zurück auf den Algerien-Krieg, der 1962 endete. Der Ausnahmezustand kann dem Gesetz zufolge verhängt werden „für den Fall unmittelbarer Gefahr durch schwere Gefährdungen der öffentlichen Ordnung“. Auch Ereignisse, „die durch ihre Art und ihre Schwere den Charakter einer öffentlichen Katastrophe darstellen“, können zum Notstand führen. Wenn der Ausnahmezustand länger als zwölf Tage andauern soll, muss das Parlament einer Verlängerung zustimmen. Trotz des Ausnahmezustands erwägt Frankreich „in keiner Weise“, den in gut zwei Wochen beginnenden Klimagipfel in Paris zu verschieben oder abzusagen.

Welche Sicherheitsmaßnahmen haben andere Staaten verhängt?

Frankreichs Nachbarland Belgien hat kurz nach der Anschlagsserie an der Grenze zu Frankreich begonnen, den Straßen-, Bahn- und Flugverkehr zu kontrollieren. Die Regierung forderte die Bürger auf, alle nicht notwendigen Paris-Reisen vorerst abzusagen. Zudem kündigte Premierminister Charles Michel verstärkte Kontrollen bei öffentlichen Veranstaltungen an. Auch Italien verschärfte seine Sicherheitsvorkehrungen. Das Risiko weiterer tödlicher Anschläge dürfe nicht unterschätzt werden, erklärte Ministerpräsident Matteo Renzi. Russlands Transportminister Maxim Sokolow kündigte Maßnahmen zur Kontrolle der Verkehrswege an. Zudem wurde erwogen, Flüge von Moskau nach Paris auszusetzen.

Die Polizei in London kündigte eine erhöhte Präsenz im West End an, wo sich zahlreiche Theater und beliebte Restaurants befinden. Derzeit gilt in Großbritannien die zweithöchste Sicherheitsstufe, nach der ein Anschlag als sehr wahrscheinlich gilt. In New York wurden nach Angaben der Polizei Spezialeinheiten zur Terrorabwehr an verschiedenen Sehenswürdigkeiten und anderen Orten postiert, die von besonders vielen Touristen besucht werden. Gleiches galt für Boston, Washington und weitere Städte.

Wie reagiert die Politik in Deutschland?

Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach in ihrer Stellungnahme zur Mordnacht von Paris von einem „Angriff auf die Freiheit“, der „uns alle“ meine und treffe. Die Bundesregierung werde alles tun, um bei der Jagd auf Täter und Hintermänner zu helfen. Dazu komme die Antwort der Bürger, „indem wir unsere Werte selbstbewusst leben und indem wir diese Werte für Europa bekräftigen, jetzt mehr denn je“. Am Mittag traf sich Merkel mit den Mitgliedern des Sicherheitskabinetts. Auch Vizekanzler Sigmar Gabriel nahm daran teil.

Danach teilte Bundesinnenminister Thomas de Maizière unter anderem mit, dass potenzielle islamistische Gefährder in Deutschland schärfer beobachtet würden, zudem auch Rechtsextremisten, die die Situation ausnutzen könnten. Er verwies ausdrücklich auf die gehäufte Zahl von Anschlägen auf Asylbewerbereinrichtungen. Der Minister hatte zuvor mit den Chefs der deutschen Sicherheitsbehörden – Bundeskriminalamt, Verfassungsschutz, Bundespolizei – die Lage nach den Anschlägen erörtert. Zu den Maßnahmen gehörte unter anderem eine Verstärkung der Einsatzkräfte an der deutsch-französischen Grenze. Auf den Flughäfen kontrollierte die Bundespolizei vor allem Flüge von und nach Frankreich. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, der rheinland-pfälzische Ressortchef Roger Lewentz, erklärte, die Landespolizeien seien in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt worden.

Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer nahm die Anschläge von Paris zum Anlass, um seine Forderung nach verstärkter Grenzsicherung zu bekräftigen – der europäischen Außengrenzen wie auch der nationalen. Angesichts der Zuwanderung „müssen wir wissen, wer durch unser Land fährt“. Bayerns Finanzminister Markus Söder ergänzte, die Zeit „unkontrollierter Zuwanderung und illegaler Einwanderung“ könne nicht weitergehen. Er fügte wörtlich hinzu: „Paris ändert alles.“

Wie sieht die Sicherheitslage in Deutschland aus?

Unisono betonen Experten aus Polizei und Nachrichtendiensten: Aktuell liegen keine Hinweise für ein erhöhtes Terrorrisiko vor. Es ist ohnehin schon hoch. Die Bundesrepublik befindet sich seit Jahren im Visier der militanten Szene. Al Qaida, der IS und weitere Gruppierungen haben im Laufe der Jahre wüste Drohungen gegen die Bundesrepublik ausgestoßen. Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan und jetzt die logistische Hilfe für kurdische Kämpfer im Irak versetzen Dschihadisten in Wut.

Mit Sorge registrieren die deutschen Behörden auch das rasante Wachstum der Salafistenszene. „Wir nähern uns der Marke von 8000 Personen“, sagte ein Experte. Das sind doppelt so viele wie noch 2011. Nicht alle Salafisten sind gewaltorientiert, doch alle Dschihadisten kommen aus dieser Szene. Und mehr als 700 sind bereits in die Krisenregion Syrien-Irak gereist. Die meisten Salafisten aus Deutschland schließen sich inzwischen dem „Islamischen Staat“ an. Etwa 70 Ausgereiste haben sich nach Erkenntnissen der Behörden an Kämpfen beteiligt.

Mehr als 200 Dschihadisten sind mittlerweile nach Deutschland zurückgekehrt, einige reisen allerdings hin und her. Von den Rückkehrern gilt ein Teil als traumatisiert, andere hingegen sind offenkundig verroht. Gerade solche „Veteranen“ werden in der Szene als Helden gefeiert. Die Behörden trauen vor allem diesen Rückkehrern Anschläge zu. Aber auch traumatisierte und psychisch gestörte Ex-Terroristen können weiterhin gefährlich sein.

Polizei und Nachrichtendienste befürchten ebenfalls, dass deutsche Rechtsextremisten, aber auch „normale“ Rassisten, zunehmend gewalttätig auf die Terrorgefahr reagieren – erst recht in Zeiten der sogenannten Flüchtlingskrise. „Wir befinden uns in einer Phase hochkommender Wellen“, sagte ein hochrangiger Sicherheitsexperte. Und die Radikalisierungsprozesse bei Salafisten und Rechtsextremen seien „verdammt ähnlich“. Außerdem würden Anschläge im benachbarten Frankreich in der deutschen Bevölkerung als bedrohlich nahe wahrgenommen. „Madrid und London sind dann doch weit weg“, sagte der Experte. „Aber mit Frankreich hat Deutschland eine gemeinsame Grenze.“

Wie reagieren die arabische Welt und Muslime in Europa auf den Terror von Paris?

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland verurteilte die Anschläge als „feigen und perfiden Massenmord“. „Diese Terroristen führen Krieg gegen die Menschlichkeit und damit auch direkt gegen den Islam“, erklärte der Zentralratsvorsitzende Aiman Mazyek am Samstag in Köln. „Wir stehen solidarisch an der Seite Frankreichs und trauern um die vielen Opfer und sind in Gedanken und Gebeten bei den Familienangehörigen.“ Die Terroristen erreichten ihr Ziel, Panik, Hass und Zwietracht zwischen den gesellschaftlichen Gruppen und Religionen zu säen, nicht, „wenn wir wachsam, entschlossen und vor allem gemeinsam handeln“.

Angesichts der Anschlagsserie in Paris befürchtet der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, eine neue Welle der Islam- Feindlichkeit. „Im Moment herrscht in Deutschland wegen der Flüchtlingskrise sowieso eine sehr angespannte Situation, und rechtspopulistische Gruppen wie Pegida oder die AfD werden das für sich ausnutzen“, sagte Sofuoglu der „Stuttgarter Zeitung“. Gleichzeitig forderte Gökay Sofuoglu, dass sich die Muslime in Deutschland und auch die muslimischen Verbände ausdrücklich gegen die Gewalt stellen. „Es ist an der Zeit, dass klare Worte gegen den Terror des Islamischen Dschihad formuliert werden.“

Auch Regierungen der arabischen Welt verurteilten die Anschläge. „Ägypten betont seine Unterstützung im Kampf gegen den Terrorismus, der keine Grenzen oder Religion kennt“, sagte der Präsident des bevölkerungsreichsten arabischen Landes Ägypten, Abdel Fatah al Sisi. Syriens Herrscher Baschar al Assad machte allerdings den Westen für die Ausbreitung des Terrors mitverantwortlich. Die Angriffe vom Freitag seien untrennbar damit verbunden, was seit fast fünf Jahren in Syrien passiere, sagte der Präsident der amtlichen Nachrichtenagentur Sana zufolge. „Die fehlgeleitete Politik der westlichen Staaten, vor allem Frankreichs, haben zur Expansion des Terrorismus beigetragen.“

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