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Trauer. Unweit der Stelle, wo der kanadische Soldat Nathan Cirillo erschossen wurde, haben Bürger Ottawas diese provisorische Gedenkstätte errichtet.

© dpa

Terrorakt in Ottawa: Kanada gibt sich nach dem Anschlag entschlossen

Nach dem blutigen Angriff auf ihr Parlament wollen die Kanadier Bedrohungen mutig begegnen. Nur 24 Stunden nach dem Anschlag nahm das Parlament seine Arbeit wieder auf.

Es ist ein Symbol der Entschlossenheit: Am Tag nach den tödlichen Schüssen am Kriegsdenkmal und im Parlament von Ottawa nahmen die Abgeordneten ihre Arbeit wieder auf. Vor ihrer Sitzung begaben sich Politiker zum Kriegsdenkmal. „Wir lassen uns nicht einschüchtern. Demokratie geht weiter“, schrieb der Abgeordnete Charlie Angus auf Twitter. Auch Premierminister Stephen Harper und seine Frau Laureen kamen an das Denkmal und legten einen Kranz nieder, Abgeordnete brachten Blumen, viele Passanten nahmen an dem Gedenken für den erschossenen 24-jährigen Wachsoldaten Nathan Cirillo teil. Als Parlamentspräsident Andrew Scheer um 10 Uhr die Sitzung eröffnete, waren erst 24 Stunden seit der Attacke auf das Parlament vergangen. Auf dem Parliament Hill über dem Ottawa-Fluss waren die Sicherheitsvorkehrungen und die Kontrollen jedoch verschärft worden. Das Gelände war weiter für die Öffentlichkeit gesperrt. Ein großes Polizeiaufgebot sicherte die Parlamentsgebäude. Auf dem Parlament und staatlichen Gebäuden wurde die kanadische Ahornflagge auf halbmast gesetzt.

Die Polizei geht von einem Einzeltäter aus

Die Polizei geht nun sicher von einem einzelnen Schützen aus, nachdem am Mittwoch vorübergehend von zwei oder drei Attentätern die Rede war. Mutmaßlicher Täter soll der 32-jährige Kanadier Michael Zehaf-Bibeau sein.
Das bislang lückenhafte Bild von Michael Zehaf-Bibeau zeigt einen Menschen, der zunächst unauffällig im Raum Montreal aufwuchs und eine Privatschule besuchte. Probleme begannen, als er 20 Jahre alt war. Er soll eine Serie von Konflikten mit dem Gesetz gehabt haben, die ihm mehrere Verurteilungen einbrachten, darunter wegen Raubes, Drogen- und Waffenbesitzes. Er soll er laut Medienberichten zum Islam konvertiert sein. Angeblich wollte er nach Libyen ausreisen, um Arabisch und den Islam zu studieren, aber die Sicherheitsbehörden stuften ihn als „hochgefährlichen Reisenden“ ein und verweigerten ihm den Pass.
In Burnaby in British Columbia besuchte Zehaf-Bideau offenbar eine Moschee. Ein von der „Globe“ zitierter Freund meint, dass Zehaf-Bideau, den er vor drei Jahren getroffen habe, zunächst keine extremen Ansichten zu vertreten schien, dann aber eine „beunruhigende Seite“ gezeigt habe. Er habe gesagt, dass der „Shaytan“, der Teufel, hinter ihm her sei. Der Freund mutmaßt, dass Zehaf-Bideau mentale Probleme hatte.
Kanadas Premierminister Stephen Harper hatte sich am Abend im Fernsehen an die Bevölkerung gewandt. Während bis dahin offiziell lediglich von einem Angriff die Rede war, bezeichnete Harper die Tat als terroristischen Akt. „Die Ereignisse dieser Woche sind eine bittere Mahnung, dass Kanada gegen die Art von Terrorattacken, die wir an anderen Orten der Welt gesehen haben, nicht immun ist“, sagte Harper. Erst zwei Tage zuvor hatte bei Montreal ein zum Islam konvertierter junger Kanadier zwei Soldaten mit seinem Auto überfahren und dabei einen getötet.

Der Anschlag wirkt sich auf die kommende Wahl aus

Noch ist nicht abzusehen, wie die Ereignisse vom Mittwoch die Stimmungslage im Land und das politische Klima verändern werden. Harper deutete mögliche Gesetzesverschärfungen als Konsequenz aus dem Angriff an. Kanada werde alle notwendigen Schritte ergreifen, um derartige Bedrohungen zu identifizieren und ihnen zu begegnen. Es werde sich nicht einschüchtern lassen und Terrororganisationen bekämpfen.
Das Land hatte erst vor zwei Wochen die Teilnahme an den Militärschlägen gegen den IS im Irak beschlossen, was ein Motiv für potenzielle islamistische Täter sein könnte.

Oppositionspolitiker mahnten, bei aller Entschlossenheit im Kampf gegen den Terror angemessen zu reagieren. Am Mittwochmorgen seien die Kanadier in einem Land „gesegnet mit Liebe, Vielfalt und Frieden“ aufgewacht, und so werde es bleiben, meinte der sozialdemokratische Oppositionsführer Tom Mulcair. Kanada wählt im nächsten Herbst ein neues Parlament. Das Thema Sicherheit, so muss nun angenommen werden, wird ein wichtiges im Wahlkampf sein.

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