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PAKISTAN

© Foro: AFP

Terroranschlag: Präsident Al Zadari verliert Kontrolle über Pakistan

Der Anschlag auf das Kricket-Team könnte zu einer Verschärfung der sicherheitspolitischen Krise in der Region führen. Politiker der Regierungspartei PPP weisen die Verantwortung für das Chaos zurück. Währenddessen macht der Gouverneur der Provinz Punjab die islamistische Terrorgruppe Lashkar-e-Taiba verantwortlich.

Kricket wird in Südasien mit einem Enthusiasmus verfolgt, der Fußballfans in Europa beinahe langweilig erscheinen lässt. Der Terrorangriff auf Sri Lankas Kricket-Nationalmannschaft am Dienstag in Pakistan traf daher die ganze Region ins Herz. Er ist ein Anzeichen dafür, wie weit die Regierung der Atommacht Pakistan die Kontrolle über das kriselnde Land an Extremisten verloren hat. Sicherheitskräften gelingt es nicht einmal, am helllichten Tag einen Terrorangriff im Zentrum der Kulturmetropole Lahore zu verhindern, die nur wenige Kilometer von der indischen Grenze entfernt liegt.

Dabei hatte Pakistan den prominenten Gästen nach Angaben der sri-lankischen Regierung Schutzvorkehrungen versprochen, wie sie sonst nur bei Besuchen von Staats- und Regierungschefs gelten. Dass Kricket-Profis in Südasien als unantastbare Volkshelden verehrt werden - und der Anschlag damit selbst in extremistischen Teilen der Bevölkerung kaum auf Sympathien stoßen dürfte -, konnte die Terroristen nicht stoppen. In einer Art militärischer Kommandooperation überfielen nach Polizeiangaben bis zu ein Dutzend schwer bewaffnete Angreifer gegen 8 Uhr morgens den Konvoi der Kricket-Spieler, die auf dem Weg zu einem Match gegen die pakistanische Mannschaft waren.

Mumbai - Attentäter schlagen erneut zu

Dem Fahrer der Sportler gelang es, durch die Blockade zu brechen und seine Passagiere in das wenige hundert Meter entfernte Gaddafi-Stadion in Sicherheit zu bringen - allerdings wurden sechs Sportler beim Angriff verletzt, einer von ihnen trug eine Schusswunde davon. "Es ist ein Wunder, dass die sri-lankischen Spieler überlebt haben", sagte ein Augenzeuge. Fünf Polizisten aus der Eskorte der Sri Lanker, ein Verkehrspolizist und ein pakistanischer Zivilist starben im Kugelhagel. Teile der Terroroperation in der Hauptstadt der Provinz Punjab wurden von Kameras festgehalten - die auch die Brutalität der Angreifer auf Film bannten.

Die Bilder zeigten, wie einer von ihnen einen bereits verletzten Verkehrspolizisten, der wehrlos auf der Straße saß, aus etwa zwei Meter Entfernung kaltblütig erschoss. Den Angreifern gelang nach der Schießerei mit einem gestohlenen Fahrzeug die Flucht vom Tatort. Die Unverfrorenheit, mit der sie vorgingen, weckte nicht nur in Indien traumatische Erinnerungen an die dreitägige Terrorserie von Bombay im vergangenen November. Punjabs Gouverneur Salman Taseer sagte zum Anschlag auf die Sri Lanker: "Das sind dieselben Menschen, die die Angriffe von Mumbai (Bombay) ausgeführt haben."

Doppeltes Spiel der der Regierung in Islamabad?

Indien macht für die Terrorserie in Bombay mit über 170 Toten die aus Pakistan operierende Islamistengruppe Lashkar-e-Taiba verantwortlich. Zweifel herrschen nicht nur in Neu Delhi darüber, ob Islamabad wie versprochen gegen die immer mächtigeren Extremisten vorgeht. Das kürzlich zu Konditionen der Taliban im nordpakistanischen Swat-Tal geschlossene Friedensabkommen deutet jedenfalls kaum darauf hin. Die indische Regierung nahm den Angriff von Lahore nun zum Anlass, den Druck zu erhöhen. Außen-Staatssekretär Anand Sharma warnte vor dem "enormen Ausmaß der Bedrohung" aus Pakistan. Die Regierung in Islamabad müsse dringend Schritte unternehmen, um terroristische Infrastruktur abzubauen.

Neu Delhi hatte nach den Angriffen von Bombay beschlossen, die indische Kricket-Mannschaft nicht zu geplanten Spielen nach Pakistan reisen zu lassen. Als Ersatz kamen jetzt die Sri Lanker, deren Spieler sich als "Botschafter des guten Willens" verstanden. Beobachter mögen sich gar nicht ausmalen, wie die Spannungen zwischen den Atommächten Indien und Pakistan eskaliert wären, hätten die Terroristen nun die indischen Kricket-Profis ins Fadenkreuz genommen. Gewiss jedenfalls ist eines: Die Millionenschar der Kricket-Fans in Pakistan wird nach dem jüngsten Angriff so schnell kein ausländisches Team mehr in ihrem Land begrüßen können.

Pakistans Politiker weisen Verantwortung zurück

Statt der verheerenden Lage im eigenen Land ins Auge zu blicken, ergingen sich manche Politiker in Pakistan am Dienstag in Verschwörungstheorien. Der indische Geheimdienst RAW sei "definitiv in den Angriff verwickelt", sagte etwa Raja Riaz von der in Islamabad regierenden Volkspartei PPP. Ganz anders sah das Manish Tiwari, Sprecher der indischen Kongress-Partei, die die Regierungskoalition in Neu Delhi anführt. Pakistan könne sich zu einem Chaos-Staat wie Somalia entwickeln, warnte Tiwari. Zu den Verhältnissen in Pakistan sagte er: "Es ist nicht einmal mehr so, dass die linke Hand nicht weiß, was die rechte Hand macht. Es weiß noch nicht einmal ein Finger, was der andere Finger tut."

Can Merey[dpa]

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