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Terrorbekämpfung: Ganz im Ernst

In der Union sind die Reaktionen auf Innenminister Schäubles Vorschläge zur Tötung von Terroristen eher verhalten. Die SPD will Schäubles Ideen als irreal vorführen und sucht stattdessen Sachlösungen.

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Nicht ernst zu nehmen: So lautet das Urteil der SPD-Führung über die Vorschläge von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), die Befugnisse des Staates im Kampf gegen den Terror drastisch auszuweiten. Es handele sich bei Schäubles Vorstoß lediglich um ein „taktisches Spielchen“ zur „Profilbildung“, das mit einer „ernsthaften Debatte über innere Sicherheit nichts zu tun“ habe, sagte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil nach einer Telefonschaltkonferenz des SPD-Präsidiums. So stünde die Überlegung zur gezielten Tötung von Terroristen außerhalb der deutschen Rechtsordnung und werde deshalb nie Wirklichkeit werden. Auch die von Schäuble in Erwägung gezogene Einführung eines Verschwörungsstraftatbestands sei mit deutschem Rechtsverständnis nicht zu vereinbaren, kritisierte Heil. Schäuble setze extreme Forderungen und Krisenspekulationen in die Welt, um nach einem Anschlag sagen zu können, er habe recht gehabt.

Was die SPD allerdings ernst nimmt, ist die Gefahr, nach einem blutigen Terroranschlag im Land von Schäuble als verantwortlich für Sicherheitslücken gebrandmarkt zu werden. In Partei- und Fraktionsführung wachsen daher Zweifel am eigenen Kurs. Wichtige Funktionsträger hegen nach Informationen des Tagesspiegels zunehmend Befürchtungen, wonach sich die SPD im Streit mit Schäuble zu sehr in einer Abwehrhaltung verschanze. „Wir dürfen nicht immer nur sagen, was wir nicht wollen, sondern müssen deutlich machen, was wir wollen“, hieß es.

Auch deshalb reagiert die SPD auf Schäubles neue Provokation nicht mit aufgeregten Warnungen, sondern versucht, die Irrealität seiner Vorschläge herauszustellen. Der Vorstoß des CDU-Politikers kommt ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, da die Koalitionspartner sich im Streit um das neue Gesetz über die Befugnisse des Bundeskriminalamts (BKA) näher gekommen sind. „Wir werden uns in der Sacharbeit nicht beirren lassen“, erklärte SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz. Die Kanzlerin selbst will sich diese Woche einschalten, um eine Lösung für das BKA-Gesetz voranzubringen.

Während FDP-Chef Guido Westerwelle sich von Schäubles Vorschlägen „überrascht bis entsetzt“ zeigte, reagierte auch Bayerns Innenminister Beckstein (CSU) zurückhaltend. Er sei von dem Vorschlag überrascht worden. Zu einem Gesetz, das die gezielte Tötung von Terroristen erlaube, habe er „noch keine abgeschlossene Meinung“, sagte Beckstein im SWR – in der Regel, „auch im Regelfall des Terrorismus“, käme so was nicht infrage.

Auch im Streit um die Online-Durchsuchungen zeigt sich die SPD weniger sperrig, als es die Äußerungen vieler ihrer Innenpolitiker und von Justizministerin Brigitte Zypries erahnen lassen. „Wir haben auch Fehler gemacht“, hieß es in Parteikreisen. Einflussreiche SPD-Politiker wollen mit Schäuble schon vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht zur nordrhein-westfälischen Praxis der Online-Durchsuchung über das neue BKA- Gesetz und die Online-Durchsuchung sprechen. Hintergrund des Zweifels am eigenen Kurs ist auch die Befürchtung, die Wählerschaft könne irritiert reagieren, wenn die SPD im Antiterrorkampf nicht als starke Schutzmacht der Bürger auftritt. Gerade sozial Schwächere erwarten von den Sozialdemokraten die Befürwortung eines starken Staates. Unter Schäubles Vorgänger Otto Schily (SPD) war auf dem Verordnungsweg die Voraussetzung geschaffen worden, damit die Geheimdienste Online-Durchsuchungen vornehmen können. Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, befürwortet im Gegensatz zu anderen SPD-Innenexperten die Einführung der Online-Durchsuchung unter strengen Voraussetzungen und nach strenger rechtlicher Prüfung. Wiefelspütz appellierte an Schäuble, nicht durch ständige und übermäßige Forderungen Einigungschancen mit der SPD zu verspielen. „Der Innenminister provoziert mit seiner Art der Kommunikation bei uns mehr Widerstand, als aus sachlichen Gesichtspunkten geboten wäre“, warnt der SPD-Politiker.

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