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Informationsreise. Innenminister Hans-Peter Friedrich (links) im Gespräch mit dem Imam Ismail Karakelle bei einem Besuch der Rüstem-Pascha-Moschee in Istanbul.

© AFP

Terrorbekämpfung in Deutschland: Friedrich kontert türkische Kritik

Sind Deutschland und Frankreich in Sachen Terrorbekämpfung zu lasch? Diesen Vorwurf des türkischen Ministerpräsidenten wollte Innenminister Hans-Peter Friedrich nicht auf sich sitzen lassen und reagierte bei einem Türkei-Besuch nun ungewöhnlich scharf.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat dem türkischen Premier Recep Tayyip Erdogan vorgeworfen, von Defiziten der Türkei bei der Bekämpfung von Extremisten ablenken zu wollen. „Es ist immer einfacher, bei anderen die Schuld zu suchen“, sagte er am Mittwoch in Istanbul, nachdem Erdogan ein allzu lasches Verständnis von Terrorbekämpfung bei Deutschen und Franzosen beklagt hatte. Eigentlich arbeiteten Deutsche und Türken in Sicherheitsfragen eng zusammen, sagte Friedrich. Nur sei es „sehr bedauerlich, dass das in der türkischen Öffentlichkeit nicht so dargestellt wird“.

Die deutlichen Worte des Ministers fielen, noch bevor Friedrich mit den für die Terrorabwehr zuständigen Kollegen aus der türkischen Regierung überhaupt sprechen konnte. Der Grund dafür heißt Alisan Sanli: Der Linksextremist lebte in den vergangenen Jahren in Deutschland, tauchte Ende 2012 unter und jagte sich vergangene Woche in der US-Botschaft in Ankara mit sechs Kilogramm TNT und einer Handgranate in die Luft. Seit dem Anschlag fragen die Türken, warum die Deutschen den Extremisten laufen ließen.

Nach Erdogans scharfer Kritik an den angeblich nachlässigen Europäern und ähnlichen Beschwerden aus der türkischen Regierung und der Presse herrschte auf deutscher Seite der Eindruck, dass den aus Berliner Sicht reichlich unberechtigten Beschwerden etwas entgegengesetzt werden müsse. Deshalb ging Friedrich schon auf der ersten Station seiner Türkei-Reise in Istanbul in die Vollen.

Natürlich unternehme Deutschland alles, um die verbotene kurdische Rebellengruppe PKK und andere Radikale zu bekämpfen, sagte Friedrich. „Wir können allerdings nicht wahllos Leute festnehmen.“ Manche türkische Klagen, wie zum Beispiel Erdogans Beschwerde über ein Zögern der deutschen Behörden bei der Auslieferung von Verdächtigen, gehen laut Friedrich ohnehin ins Leere. So laufe die Bereitstellung von Beweismitteln durch die Türkei in Auslieferungsfällen „manchmal etwas schleppend“. In Bereichen wie der organisierten Kriminalität funktionierten Auslieferungen dagegen so gut, dass sie „an der Tagesordnung“ seien.

Auch was den Selbstmordattentäter Sanli angeht, sieht der Bundesinnenminister nicht so recht, warum sich die Türken aufregen. In Ankara stellt sich der Fall so dar: Ein Extremist stellt in Deutschland einen Asylantrag, wird abgelehnt, darf aber in der Bundesrepublik bleiben. Dann entwischt er den nicht besonders aufmerksamen Sicherheitsbehörden und sprengt sich in der türkischen Hauptstadt in die Luft.

Friedrich betonte dagegen, dass Sanli und andere Mitglieder der linksextremen Gruppe DHKP-C sehr wohl im Visier der deutschen Sicherheitsbehörden standen. Sanli sei nicht festgenommen worden, weil das die anderen Verdächtigen aufgeschreckt hätte. Und dann sei Sanli untergetaucht – es habe aber keine Hinweise auf „konkrete Anschlagspläne“ des Linksextremisten gegeben.

Was genau falsch gelaufen sei, werde er aus einem Bericht des Bundeskriminalamtes erfahren, den er bis zum Wochenende erwarte, sagte Friedrich. Spätestens seit Mitte Januar seien auch die türkischen Behörden darüber informiert gewesen, dass Sanli vom deutschen Radar verschwunden war.

An diesem Donnerstag will Friedrich mit seinem Amtskollegen Muammer Güler diese und andere Streitfragen erörtern. Noch am Mittwoch war nach der Weiterreise des Bundesinnenministers von Istanbul nach Ankara ein Gespräch von Friedrich mit dem für die Terrorbekämpfung und Kurdenpolitik zuständigen Vizepremier Besir Atalay geplant. Atalay und Güler spielen zudem wichtige Rollen bei den derzeit laufenden Friedensverhandlungen zwischen der türkischen Regierung und dem inhaftierten PKK-Chef Abdullah Öcalan.

Friedrich sagte, er begrüße den Verhandlungsprozess, weil Frieden zwischen dem türkischen Staat und der PKK auch für Deutschland und ganz Europa nützlich sein würde. Schließlich müsse auch Europa mit dem PKK-Problem leben.

Eine Aufnahme von PKK-Mitgliedern im Rahmen einer Friedenslösung zwischen der Türkei und den Kurdenrebellen lehnte Friedrich aber ab. Das Problem müsse in der Türkei gelöst werden, sagte er. Bei den derzeit laufenden Verhandlungen zwischen dem türkischen Staat und Öcalan geht es unter anderem um die Frage, ob Führungskader der PKK ins europäische Exil geschickt werden sollen, wenn die Kurdenrebellen die Waffen niederlegen.

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