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Ehrhart Körting

© ddp

Terrorgefahr in Deutschland: „Das ist einheimischer Terrorismus“

Nach den vereitelten Terroranschlägen stellt sich die Frage, was die Politik tun kann, um die Bürger zu schützen. Berlins Innensenator Ehrhart Körting benennt im Tagesspiegel-Interview Anschlagsgefahren und Möglichkeiten der Bekämpfung. Er findet Online-Durchsuchungen grundsätzlich sinnvoll.

Was kann die Politik tun, um die Bürger noch besser vor Terroranschlägen zu schützen?

Es ist dies ja nicht der erste Anschlag, den die deutschen Sicherheitsbehörden verhindert haben. Das zeigt: Wir sind gut aufgestellt. Was wir tun konnten, haben wir getan. Der frühere Innenminister Otto Schily hat mit den Antiterrorgesetzen die wichtigsten gesetzlichen Regelungen geschaffen. Die wurden dann von der großen Koalition an einigen Punkten ergänzt und nachgebessert. Die Stichworte lauten Anti-Terror-Datei, Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum und bessere Zusammenarbeit von Bund und Ländern.

Es gibt keinerlei Handlungsbedarf?

Jedenfalls keinen aktuellen. Das schließt aber nicht aus, dass man über weitere Instrumentarien redet - etwa über die Online-Durchsuchung von Computern.

Muss die SPD ihren Widerstand gegen Online-Durchsuchungen aufgeben?

Ich halte die Online-Untersuchung im Grundsatz für möglich. Denn damit werden im Grunde lediglich bestehende Instrumente wie die Brief- oder Telefonüberwachung auf ein anderes Medium übertragen, nämlich auf Computer, mit deren Hilfe Terroristen nun mal kommunizieren. Und es ist doch selbstverständlich, dass die Befugnisse der Sicherheitsbehörden der technischen Entwicklung angepasst werden.

Ihre Partei sieht das anders. Viele Genossen fürchten den Schnüffelstaat.

Ich habe keine ideologischen Vorbehalte. So lange sich die Online-Durchsuchung auf die Aufdeckung von Kommunikation beschränkt, halte ich sie ohne Grundgesetzänderung für möglich und nötig. Daten auf Computerfestplatten, die nicht verschickt oder empfangen werden, müssen dagegen weiterhin tabu sein. Da ist die verfassungsrechtliche Grenze. Daten, die nicht kommuniziert werden, gehen den Staat nichts an.

Ist diese Grenze praktikabel?

Meine Fachleute sehen da Möglichkeiten. Mich stört aber an der Debatte, dass so getan wird, als seien Online-Durchsuchungen der Königsweg zur Verhinderung von Anschlägen. Dem ist nicht so.

Für Justizministern Brigitte Zypries (SPD) zeigt der jüngste Ermittlungserfolg, dass Online-Durchsuchungen überflüssig sind.

Ich sehe die Online-Durchsuchung als einen Nebenkriegsschauplatz, der aus ideologischen Gründen zum Hauptkriegsplatz gemacht wird. Es geht vielleicht um fünf Fälle im Jahr. Das Wichtigste, was der Staat zum Schutz der Bürger vor Terroranschlägen tun kann und muss, ist, für eine gute Polizeiarbeit zu sorgen, für Beobachtung und Informationsgewinnung.

Was spricht dagegen, die Ausbildung in Terrorlagern und die Verbreitung von Anleitungen zum Bombenbau unter Strafe zu stellen?

Gar nichts.

Ministerin Zypries sieht rechtliche Hindernisse für eine gesetzliche Regelung.

Ich halte jede paramilitärische Ausbildung hier oder im Ausland für sanktionierbar, da sehe ich keine rechtlichen Probleme. Ich hoffe deshalb auf eine schnelle gesetzliche Regelung. Das würde es uns erleichtern, einige Leute aus dem Verkehr zu ziehen, die eine Gefahr für die Sicherheit darstellen könnten.

Wie viele so genannten Gefährder halten sich in Berlin auf?

Da gibt es einige wenige Figuren, die wir kennen und die wir im Auge haben. In Berlin gibt es zwei oder drei Moscheen, in denen Leute sich treffen, die wir für potenzielle Gefährder halten. Wir können aber nicht feststellen, dass es seit dem elften September 2001 eine nennenswerte Zunahme gegeben hat.

Zwei der Festgenommenen waren Konvertiten - ein Indiz für wachsende Bedrohung?

Nein. Wir wissen schon lange, dass die Gefahr nicht mehr von eingeflogenen Terroristen ausgeht, sondern dass es sich im Grunde um einen einheimischen Terrorismus handelt, von Leuten, die hierzulande aufgewachsen sind.

Auch in Berlin soll sich die Zahl der Übertritte zum Islam häufen.

Es gibt Konvertiten, natürlich. Das beunruhigt mich überhaupt nicht. Die wenigen, die uns Sorgen machen, haben wir im Auge.

Die Fragen stellte S. Haselberger

Ehrhart Körting (SPD), Berlins Innensenator, hat derzeit den Vorsitz der Innenministerkonferenz von Bund und Ländern inne, die an diesem Freitag zu einer Sondersitzung zusammenkommt.

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