zum Hauptinhalt
Hat die Terrorfahrt von Anis Amri wieder andere Anschläge ausgelöst?

© Michael Kappeler/dpa

Terrorismus: Wenn TV-Bilder zum Terror anstacheln

Eine neue Studie legt den Zusammenhang von Berichten über Terror und Anschlägen nahe. Was daraus folgen muss. Ein Zwischenruf

Ein Zwischenruf von Barbara John

Mehr Terrorismus durch Berichterstattung? Abwegig ist diese Frage keinesfalls. Bei Suizid und Amokläufen sind Nachahmungstaten und -täter keine Seltenheit, plausibel nachgewiesen in psychologischen Forschungen. Doch gilt das auch für Terroranschläge von islamistischen Gruppierungen? Spekuliert wurde darüber viel, nun gibt es eine wissenschaftliche Studie von Michael Jetter, erschienen im Bonner Institut für die Zukunft der Arbeit, der die Zeit von 9/11 bis Ende 2015 untersucht hat. Seine Ergebnisse lassen eindeutig erkennen, dass die Berichterstattung bei CNN, NBC, CBS und Fox News über al-Qaida Einfluss auf Zahl und Zeitpunkt von Terrorakten hatte. Eine Minute Sendezeit in einer halbstündigen Nachrichtensendung über die Terrorgruppe habe in der darauffolgende Wochen irgendwo auf der Welt einen Anschlag mit mehr als vier Opfern nach sich gezogen, fasst er zusammen. Ähnliches stellte der Autor auch fest, wenn in der „New York Times“ über Anschläge berichtete wurde. Je mehr Berichte, desto mehr Terrorakte folgten mit weiteren Opfern innerhalb kurzer Zeit.

Es wird zu viel über Täter und zu wenig über Opfer berichtet

Klar, dass nun gefragt werden muss, ob und wie die Medien – Print und TV – reagieren, immerhin sterben täglich mehr als 40 Menschen durch Terroranschläge. Keine Berichte mehr oder nur zensierte? Ausgeschlossen. Medienfreiheit und Realitätserkenntnis vertragen keine Verbote und gehören zusammen. Andererseits gibt es journalistische Selbstbeschränkungen, wenn über Kriminelle berichtet wird, ohne deren kulturelle oder nationale Herkunft zu nennen, um Stigmatisierungen zu vermeiden. Bei Attentätern scheint das nicht zu gelten. So viele Details und Bilder wie möglich über den Täter, über seine Eltern und Geschwister. Wir erleben das gerade im Manchester-Fall. Auch der Breitscheidplatzmörder wurde zum Star des Horrors – und vielleicht zum Modell für Nachahmer? Höchste Zeit, die ungewollte Propagandabühne in unseren Medien für Terrororganisationen und ihre mordbereiten Helfer zu verriegeln. Es sind ohnehin die Opfer, die alle öffentliche Aufmerksamkeit brauchen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false