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Politik: Terrorrazzien in London – acht Festnahmen

Polizei stellt bei Islamisten Bombenmaterial sicher / Spanien sieht mögliche Verbindung zu Attentätern von Madrid

London/Madrid. Nach Großrazzien in 24 Londoner Geschäfts- und Wohnhäusern hat die Polizei am Dienstag acht mutmaßliche Islamisten verhaftet. In einem Lagerhaus in Westlondon wurde eine halbe Tonne Ammoniumnitrat sichergestellt, die nach Angaben von Sicherheitskreisen „erhebliche Schäden“ hätte anrichten können. Der Kunstdünger war Grundstoff der Bomben, die Al Qaida bei den Attentaten auf Bali und in Istanbul zündete. Über 700 Polizisten waren bei den koordinierten Durchsuchungen in Vororten wie Uxbridge, Ealing, Crawley, Redbridge und Luton im Einsatz. Sie liegen rings um die Stadt, alle in der Nähe Londoner Flughäfen.

Die Aktion war eine der größten seit Jahren. An der Vorbereitung war auch der Auslandsgeheimdienst MI 6 beteiligt, was auf ausländische Verbindungen der Verhafteten schließen lässt. Auf einer ersten Pressekonferenz hielt sich der Chef der Londoner Terrorabwehr, Peter Clarke, jedoch mit näheren Angaben zurück. Die Verhafteten seien zwischen 17 und 32 Jahre alt und britische Staatsbürger pakistanischer Herkunft, sagte Clark. Ihm zufolge besteht keine Verbindung zu den Anschlägen von Madrid am 11. März.

Doch die spanischen Ermittler sehen das offenbar anders: Innenminister Angel Ancebes teilte mit, einer der in London Festgenommenen habe womöglich Verbindungen nach Spanien. Die internationale Vernetzung der in Spanien inhaftierten Verdächtigen werde derzeit ermittelt. Unterdessen sind die spanischen Behörden sicher, dass die Madrider Anschläge nicht in Deutschland geplant wurden. Der 28-jährige Marokkaner, der Mitte letzter Woche bei Madrid verhaftet worden war und Kontakte nach Deutschland hatte, wurde am Dienstag freigelassen. Zugleich bestätigte Acebes bisher inoffizielle Berichte, wonach das Massaker von Madrid der marokkanischen „Islamischen Kampfgruppe“ (GICM) zugeschrieben wird. Sie ist Teil der marokkanischen „Salafistischen Bewegung des Heiligen Krieges“ die als Al-Qaida-Ableger gilt.

Der weltweit gesuchte mutmaßliche GICM-Führer Abdelkrim Mejjati könnte das „Gehirn“ des schlimmsten Al-Qaida-Anschlages in Europa sein. Acebes teilte am Dienstag mit, dass weitere drei Personen unter Tatverdacht festgenommen worden sind: Ein Spanier, der bei der Sprengstoffbeschaffung geholfen haben soll, und zwei Syrer. Insgesamt wurden in Spanien nach dem Anschlag 23 Menschen festgenommen: 15 Marokkaner, vier Syrer, zwei Inder und zwei Spanier. Fünf von ihnen werden als Bombenleger beschuldigt, fünf weitere wurden mangels Beweisen wieder freigelassen.

Die Verhaftungen in London erfolgten nach Bestimmungen des Antiterrorismusgesetzes, sagte Clarke. „Unsere Ermittlungen konzentrieren sich nun auf den Erwerb, die Lagerung und die geplante Verwendung des Ammoniumnitrats.“ Es war die mindestens dritte Großaktion gegen mutmaßliche Islamisten in Großbritannien nach der so genannten „Rizin-Verschwörung“ und einer Verhaftungswelle in Manchester und Umgebung im vorigen Jahr. Insgesamt wurden nach Bestimmungen des scharfen Antiterrorismusgesetzes bisher 556 Personen verhaftet – allesamt mit islamistischem Hintergrund.

Innenminister David Blunkett beeilte sich gestern, der Polizei zu ihrem Schlag zu gratulieren. Doch zwischen Londons Polizeichef John Stevens und Blunkett gab es in den letzten Tagen eine Kontroverse über dramatische Warnungen vor einem – wie Stevens formuliert hatte – „unvermeidlichen“ Terroranschlag in Großbritannien. Blunkett hatte ihn wegen Panikmache gerügt. Doch Umfragen zufolge rechnen ohnehin 95 Prozent der Londoner mit Anschlägen in nächster Zeit.

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