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Politik: Test auf hohem Niveau

Abgeordnete mit ausländischer Abstammung beurteilen den hessischen Fragenkatalog zur Einbürgerung

Berlin - Der Einbürgerungstest des hessischen Innenministeriums stößt bei deutschen Parlamentariern aus Migrantenfamilien auf ein geteiltes Echo. Die in Istanbul geborene SPD-Bundestagsabgeordnete Lela Akgün sieht in dem Fragebogen einen Versuch, die Einbürgerung von Eliten zu fördern. Dabei biete das bisherige Einbürgerungsrecht ihrer Meinung nach bereits eine ausreichende Basis – Nachweis von Deutschkenntnissen, Aufenthaltsdauer und Regelanfrage beim Verfassungsschutz. Dann sei in Baden-Württemberg ein Wertetest entworfen worden, jetzt in Hessen ein Wissenstest. Sie sehe keine Verbindung zwischen „guter Bürger sein“ und viel wissen. Eine Frage wie „was verstehen Sie unter dem Begriff Reformation und wer hat sie eingeleitet“, könnten auch viele Deutsche nicht beantworten.

Der Vorsitzende des deutsch-türkischen Forums der CDU, Bülent Arslan, räumt ein, dass in der jetzigen Form vermutlich auch deutsche Staatsbürger Probleme mit der Beantwortung einiger Fragen hätten, spricht aber von einem „gelungenen Fragebogen“. Er begrüßt, dass „anders als in Baden-Württemberg keine Gesinnung, sondern Wissen“ abgefragt werde. Weil aber die „Fragen auf einem sehr hohen Niveau seien“, müssten die Migranten vor den Test geschult werden. „Dadurch lernen die Leute automatisch mehr über Deutschland“, sagt er.

Josip Juratovic, SPD-Bundestagsabgeordneter und im kroatischen Koprivnica geboren, kam als 15-Jähriger nach Deutschland. Er bemängelt fehlende Sensibilität gegenüber Einwanderungswilligen. Die Fragebögen seien der Versuch, einbürgerungswillige Menschen unter Generalverdacht zu stellen. Grundsätzlich habe er nichts einzuwenden gegen einen Wissens- und Wertetest. Aber dies müsse sensibler geschehen und dürfe nicht wie ein Gesinnungstest ablaufen.

Der Europaabgeordnete der Liberalen, Jorgo Chatzimakarkis, dessen Vater aus Griechenland stammt, weist darauf hin, dass der hessische Text sich an US-amerikanischen, kanadischen und australischen Fragebögen orientiert. Diese Orientierung an klassischen Einwanderungsländern sei eine späte Anerkennung der Tatsache, dass auch Deutschland ein Einwanderungsland ist. Kritik übte er an der Akzentsetzung des Tests, die er für „leicht falsch gesetzt“ hält. Das Erlernen der Sprache sei für die Integration von überragender Bedeutung, das komme in dem Test zu kurz. Auch brauche jeder Neubürger einen Grundrahmen an Wissen, vor allem über die Verfassungswerte. Insgesamt jedoch stimme die Richtung, sagt der FDP-Politiker. Denn eine neue Staatsbürgerschaft zu bekommen sei mehr, als sich einen neuen Mantel anzuziehen.

Die Bundestagsabgeordnete der Linken, Sevim Dagdelen, hält den hessischen Fragebogen ähnlich wie den Gesprächsleitfaden in Baden-Württemberg für „Wahlkampf und Stimmungsmache“. Denn für die türkischstämmige Politikerin die sich erst vor einigen Jahren selbst einbürgern ließ, ist die Diskussion über strengere Kriterien zur Einbürgerung eine „Scheindebatte“: Schon jetzt gebe es die deutsche Staatsbürgerschaft „beileibe nicht zu Ramschpreisen“; Sprach- und Integrationskurse würden bereits „Werte und Wissen“ vermitteln. Der Wahlkampf, so Dagdelen, dürfe „nicht auf dem Rücken von Migranten geführt werden“. Der hessische Fragenkatalog aber, der unter anderem die Nennung von vier verfassungsmäßig garantierten Grundrechten oder die Definition von Bürgerinitiativen verlangt, fordert ihrer Ansicht nach von Einbürgerungswilligen das, was viele Deutsche selbst nicht leisten könnten. „Wir können doch nicht von anderen erwarten, dass sie besser sind als wir selbst“, sagt Dagdelen.

Ähnlich argumentiert ihr Parteikollege Hakki Keskin. Der ehemalige Politikprofessor ist ziemlich ärgerlich. Selbst seine früheren Studenten in Hamburg hätten höchstens ein Viertel der Fragen beantworten können, sagt der ehemalige Vorsitzende der türkischen Gemeinde in Deutschland. „Ich frage mich: Was soll das eigentlich? Ich habe den Eindruck, dass hier bewusst verhindert werden soll, dass Migranten eingebürgert werden.“

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