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Teuerungsrate: Arme trifft die Inflation am härtesten

Gas, Strom, Heizöl und Lebensmittel werden immer teurer. Offiziell liegt die Inflation bei drei Prozent - für Rentner hat sie aber eine Wirkung von sieben Prozent, für Familien fünf Prozent. Die Caritas sucht jetzt schon Sponsoren für Energiesparlampen.

Berlin - Fast drei Jahre lang haben die vom Statistischen Bundesamt errechnete und die von den Bürgern wahrgenommene Inflation in etwa auf einem Niveau gelegen. Doch seit dem Herbst 2007 empfinden die Verbraucher die Inflation als weitaus schmerzlicher, als es die Statistiker abbilden. Dabei hat auch das Statistische Bundesamt eine Inflationsrate von drei Prozent für den Mai 2008 im Vergleich zum Vorjahr errechnet.

Nach neuen Berechnungen des Wirtschaftsstatistikers Professor Hans Wolfgang Brachinger von der Universität Fribourg in der Schweiz hat diese Inflationsrate für Rentner eine Wirkung von sieben Prozent, wie er für die „Zeit“ ermittelte. Für Familien mit Kindern wirke sie wie fünf Prozent, rechnete er für die ARD aus. Brachinger hat mit dem Statistischen Bundesamt den Index der wahrgenommenen Inflation (IWI) erarbeitet, weil nach der Euro-Einführung in Deutschland die „Teuro-Debatte“ tobte. Dem „Stern“ sagte Brachinger: „Ein Hartz-IV-Haushalt hat gegen die Inflation keine Chance.“

Diese Aussage kann Wilfried Jahn, der die Caritas-Schuldnerberatung in Pankow leitet, nur bestätigen. Mehr als die Hälfte seiner Klienten seien Hartz-IV- Empfänger. Und angesichts einer Preissteigerung bei Nahrungsmitteln um 7,9 Prozent werde es für diese „immer enger“. Daran änderten die vier Euro mehr, die sie seit dem 1. Juli bekämen, nichts. Probleme mit Heizkostennachzahlungen habe es auch in der Vergangenheit gegeben. Ob sie zunehmen, kann Jahn nicht einschätzen. Da dies aber oft Haushalte trifft, die nichts mehr sparen könnten, rechnet er mit einem vermehrten Beratungsbedarf.

Bei der Caritas in Frankfurt am Main gibt es seit zwei Jahren eine Energieberatung für Hartz-IV-Empfänger. Die Heizkosten sind zwar gerade für diese Gruppe bisher kein Problem, weil die Kommunen dafür aufkommen müssen. Aber beim Strom können auch arme Haushalte Kosten sparen. Die Caritas hat sich auf die Suche nach Sponsoren gemacht, die Energiesparlampen und Steckerleisten für arme Haushalte finanzieren. Wie viel Potenzial zum Energie- und Kostensparen in Hartz-IV–Haushalten vorhanden ist, wird derzeit in einem Forschungsprojekt in Freiburg und Berlin ermittelt.

Der Sprecher der Verbraucherzentrale Bundesverband, Christian Fronczak, sagt: „Die Energiepreise treiben die Inflation. Deshalb brauchen wir eine konsequente Energiewende.“ Die Verbraucherzentrale hat vor wenigen Tagen eine Umfrage vorgelegt, welche Themen die Verbraucher am meisten umtreiben. Und gleich nach Sorgen über die Lebensmittelsicherheit folgte die Unzufriedenheit mit den steigenden Preisen. Auch beim dritten Thema, bei dem sich Verbraucher „Verbesserungen“ wünschen, der Energieversorgung, war es vor allem der Preis, der die Bürger ärgert.

Genau da wollen der Deutsche Mieterbund (DMB) und der Industrieverband der Haustechnik (BDH) ansetzen. Bei einer Pressekonferenz in Berlin forderten sie am Mittwoch gemeinsam, dringend alte Heizungen auszutauschen. BDH-Präsident Klaus Jesse kritisierte,: „Nur etwa zehn Prozent des deutschen Heizungsbestands sind auf dem aktuellen Stand der Technik.“ Und der Präsident des DMB, Franz-Georg Rips, wies darauf hin, dass die Mieter im Jahr 2006 bereits im Schnitt 1,07 Euro pro Quadratmeter für Warmwasser und Heizung aufbringen mussten. Für das Jahr 2008 rechnet der Mieterbund mit 1,50 Euro oder mehr. Nach Angaben des Mineralölwirtschaftsverbands kostete ein Liter Heizöl im Mai 2003 32,9 Cent, im Mai 2008 waren es 86,6 Cent. Der Absatz sank gleichzeitig. Auch Hausbesitzer füllen derzeit nicht mehr alle ihre Heizöltanks, sondern bestellen nur noch kleine Mengen – in der vagen aber wohl vergeblichen Hoffnung auf sinkende Preise. Und weil sie die Kosten teilweise einfach nicht mehr aufbringen können.

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