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Politik: Teurer Rat für den Staat

Niedersachsens Ex-Regierungschef soll Beraterverträge verheimlicht haben, klagt die CDU – und wird selbst kritisiert

Im Streit um Beraterverträge der niedersächsischen Landesregierung werden immer mehr fragwürdige Vorgänge bekannt. Neben der früheren Regierung von Sigmar Gabriel (SPD) wird nun auch der jetzige Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) kritisiert: Beide sollen Aufträge aus der Staatskasse bezahlt haben, die eigentlich von ihrer jeweiligen Partei hätten finanziert werden müssen.

Vor allem die SPD steht unter Druck: In der vergangenen Woche hat die CDU/FDP-Regierung das Ausmaß der Gutachterarbeit für die vor einem Jahr abgelöste SPD-Regierung dargestellt. In einer parlamentarischen Fragestunde hebt Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) hervor, die Regierung habe seit 1994 nicht, wie bisher angegeben, 368 Studien und Beraterverträge in Auftrag gegeben, sondern 145 mehr. Somit wurden dafür nicht 28, sondern 33 Millionen Euro ausgegeben. „Sie haben damals den Landtag unvollständig informiert, subjektiv und objektiv falsch geantwortet und Gutachten für geheim erklärt, die nie geheim sein durften“, betont Wulff, an Gabriel gewandt.

Als die Fragestunde allmählich zu Ende geht, herrscht in der SPD-Fraktion Entsetzen: Gabriel sitzt starr auf seinem Platz und blickt mit ernster Miene zu seinem Geschäftsführer Dieter Möhrmann herüber. Einige Abgeordnete schütteln den Kopf, andere hat es nicht mehr auf ihren Stühlen gehalten, sie stehen jetzt in der Nähe der Tür und sehnen das Ende der Debatte herbei. Eine bittere Stunde für die SPD.

Möllring zählt immer mehr pikante Details auf. Gleich siebenmal habe das Unternehmen Forsa „Repräsentativumfragen“ erstellt – für jeweils rund 12 000 Euro. Für die „politische Kommunikationsberatung des Ministerpräsidenten“ wurde mehrmals die Werbeagentur Odeon II eingeschaltet. 25000 Euro flossen im Jahr 1995 für eine Studie zur „Situation schwuler Männer in Klein- und Mittelstädten“. „Ungeheuerlich“, „das gibt’s doch nicht“, ertönen Zwischenrufe aus der CDU. Dann geht es um die engen Kontakte der SPD-Regierung zur Beraterfirma Roland Berger. Mehrfach hätten deren Gutachten knapp unter der Grenze von 200000 Euro gelegen, oberhalb der hätte ausgeschrieben werden müssen.

Je länger Möllring vorträgt, desto finsterer werden Gabriels Gesichtszüge. Irgendwann platzt ihm der Kragen. „Wir kriegen euch auch noch“, ruft er in Richtung Regierungsbank. In einer eilig einberufenen Pressekonferenz bezichtigt Gabriel später Möllring der „Lüge“. Bei vielen der angeblichen Beraterverträge sei es um Meinungsumfragen oder Broschüren gegangen. Und die Ende 1999 an Odeon II gezahlten 1780 Euro für eine „Regierungsantrittsrede“ seien gerechtfertigt: „Ich war damals im Krankenhaus, brauchte also Hilfe“, sagt Gabriel.

Unterdessen haben die niedersächsischen Grünen im Streit um die Beraterverträge nicht nur die SPD kritisiert, sondern auch gegen die CDU Vorwürfe erhoben. Der Haushalts- und Finanzexperte der Landtagsfraktion, Stefan Wenzel, kritisierte in der „Berliner Zeitung“, dass Ministerpräsident Wulff Aufträge über die Staatskanzlei erteilt habe, die von seiner Partei hätten finanziert werden müssen. Dazu gehöre die 30000 Euro teure so genannte Resonanzstudie, in der es um die Einschätzung von Wulffs Regierungsarbeit bei den Bürgern ging. (mit ddp)

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