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Thailand: Oppositionelle fordern Neuwahlen

Es wurde nicht der Millionenmarsch, den Thailands Opposition angekündigt hatte. Doch rund 100.000 Menschen verwandelten Bangkoks historisches Zentrum am Samstag in ein rotes Meer.

Die Anhänger des 2006 gestürzten Altpremiers Thaksin Shinawatra forderten ultimativ bis Montagmittag die Parlamentsauflösung und die Ausrufung von Neuwahlen. Damit soll der Weg zur Rückkehr Thaksins aus dem Exil geebnet werden. Gebe Regierungschef Abhisit Vejjajiva nicht nach, werde Bangkok „lahmgelegt“. In spätestens einer Woche sei die Regierung gestürzt.

Bislang blieb alles friedlich. Die Führer der Roten kündigten aber an, Armeekasernen, die Residenz des Premiers, des Chefberaters des Königs und hoher Regierungskader zu umstellen. Dazu haben die Roten ganz eigene Waffen präpariert: mit menschlichem Kot und vergorenem Fisch gefüllte Plastiksäcke, deren Inhalt so ungeheuerlich stinkt, dass sich Eliteeinheiten von Polizei und Militär auch ohne Waffengewalt zurückdrängen lassen.

Ihr Kampf gilt nicht nur der Wiedergutmachung Thaksins, sondern sie fordern auch ein Ende von Doppelstandards. So wagen Richter noch immer nicht, die in Gelb gekleideten königstreuen Besatzer von Bangkoks Flughäfen Ende 2008 anzuklagen, während rote Regierungsgegner oder Kritiker der Krone postwendend hinter Gitter verschwinden. Während die Gelben immer lauter auf König und Krone schwören, wächst unter den Roten offener Republikanismus. Der Protestmarsch der armen Landbevölkerung aus dem Norden des Landes ist ein verzweifelter Aufruf: Nehmt uns endlich ernst.

Premier Abhisit hält sich seit Beginn der Proteste in einer Bangkoker Armeekaserne verschanzt, die die Roten als erste umstellen wollen. Abhisit hat 40 000 Sicherheitskräfte im Einsatz. Er behauptet von sich, er sei der legitime Regierungsführer – obwohl Stellvertreter Thaksin die Wahlen 2007 klar gewonnen hatte und zwei Premierminister der Roten wegen Bagatellen disqualifiziert worden waren. Das ebnete den Weg für Abhisit, der alte Verbündete Thaksins mit lukrativen Ministerien in seine Regierung lockte.

Abhisit versucht nun Strenge zu demonstrieren. Nach den Belagerungen von Bangkoks Regierungssitz und der Flughäfen 2008 und regelrechten Kriegsszenen im April 2009 in der Hauptstadt will sich Thailands Sicherheitsapparat nicht abermals international blamieren. Doch solange die institutionalisierte Benachteiligung der ärmlichen Provinzbevölkerung nicht angegangen wird, ist auch eine Beilegung von Thailands langjährigem politischem Konflikt illusorisch.

Thaksin hatte dem armen Volk Gesundheitsschutz und leichteren Zugang zu Krediten verschafft und Hierarchien auf den Kopf gestellt. Er dominierte Wahlen und das Parlament wie noch nie jemand zuvor in Thailands Geschichte. Weil er jedoch allen alles versprach, geriet er unter Zugzwang und entwickelte sich vom Demokraten zum autoritären Oligarchen, bis die Armee Thaksin mit offener Unterstützung von Palastkreisen, der mächtigen Bürokratie und der Geschäftselite wegputschte. 

Daniel Kestenholz

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